Unterhaltung Unterhaltung: Holiday on Ice wird 60 Jahre alt
Amsterdam/dpa. - Scheinbar schwerelos gleiten Stéphane Bernardis und Sarah Abitbol Arm in Arm über das Eis. Ein kräftiger Schups und der Franzose stößt seine zierliche Partnerin weit von sich. Mit ausgestreckten Armen und auf einem Bein läuft die 28-Jährige ihr Solo, kommt in der Mitte der Eislauffläche zum Stehen. «Stopp», schallt es durch die Halle. Choreografin Sarah Kawahara flitzt über das Eis und führt der Vize-Europameisterin vor, wie sie sich die Figur vorgestellt hat. «Once again», ruft sie in ihr Mikrofon. Die beiden nehmen ihre Positionen ein und starten noch mal von vorne.
Alles muss sitzen, da kennt die gebürtige Kanadierin kein Pardon. Schließlich ist sie seit Jahren ein Profi auf dem Eis. Für ihre Eröffnungszeremonie bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City wurde die ehemalige Eiskunstläuferin mit einem Emmy prämiert. Nun ist sie die Chefin über 50 Eiskunstläufer, die in einem Flugzeughangar in der Nähe des Amsterdamer Flughafens Schiphol seit Ende Juli für die Jubiläumstour von Holiday on Ice acht Stunden pro Tag trainieren. Weltpremiere der «Diamond»-Tour durch 17 deutsche Städte ist am 2. Oktober in Hamburg. Auch Saarbrücken, Braunschweig, Chemnitz, Dortmund, Köln, Rostock und Leipzig gehören unter anderen zu den Auftrittsorten.
Es ist kalt in der riesigen, kahlen Halle. Am Rande der Eisfläche wärmen sich die Eiskunstläufer, die in der gerade geprobten Schach- Szene nicht dabei sind, mit Kaffee auf. Dick eingemummt in warmen Anoraks sitzen sie auf Plastikstühlen, schauen den anderen beim Proben zu oder machen sich mit Dehnübungen warm. «Mit Sarah zu arbeiten ist eine riesige Chance», meint die 23-jährige Laura Sinnott. Für die Amerikanerin war es schon immer ein Traum, einmal bei Holiday on Ice dabei zu sein. «Ich liebe es, vor Publikum zu laufen. Und ich liebe es, Menschen aus aller Welt kennen zu lernen.»
Seit 60 Jahren tourt Holiday on Ice durch die Welt. «Erfunden» wurde die Eisshow am 25. Dezember 1943 in Toledo/USA. Nach 1945 machten transportable Kältesysteme aus Rohren und Kompressoren mobiles Eis-Entertainment möglich. 1951 trat Holiday on Ice zum ersten Mal in Europa auf. Die Konzeption eines Broadway-Musicals auf dem Eis hatte auch hier Erfolg. Stars wie das Traumpaar Marika Kilius und Hans Jürgen Bäumler machten Eislaufen auch in Deutschland immer populärer. Zuletzt zählten die zweifache Olympiasiegerin Katarina Witt und Vize-Weltmeister Norbert Schramm zu den deutschen Eislaufstars, die nach dem Ende ihrer Amateur-Karriere bei Holiday on Ice auftraten.
Was ist das Geheimnis von Holiday on Ice? - «Du bist Teil einer Familie», meint Co-Regisseur Robin Cousin. Monatelang ziehen die Eiskunstläufer mit der Show um den Globus, manche nehmen ihren eigenen Wohnwagen mit, andere leben im Hotel. «Das schweißt zusammen», meint der 46-Jährige. Nach seinen drei Weltmeistertiteln in den 80er Jahren startete der Brite selbst eine Bühnenkarriere bei Holiday on Ice. Seit einigen Jahren entwickelt er die Choreografie für zahlreiche Shows. «Das Wichtigste ist, dass Du liebst, was Du tust. Du kannst keine Gefühle unterrichten», meint er.
Eine richtige Familie on Tour sind die Mytniks. Während Papa Victor und Mama Valerie auf dem Eis die Piratenszene proben, steht Großmutter Galina mit ihrer Enkelin auf dem Arm am Eisflächenrand. «Schau, Nicole, da ist der Papa», sagt die 62-Jährige und winkt dem Piraten im kanariengelben Kostüm zu. Die Zweijährige schaut etwas verwirrt und scheint ihren Vater nicht auf Anhieb zu erkennen. Die ehemalige Eiskunstläuferin und jetzige Trainerin passt auf das kleine Mädchen auf, wenn ihre Eltern arbeiten. Schon seit Jahren tourt die Familie aus der Ukraine so durch die Welt.
Spektakulärer Blickfang bei der Piratenszene ist das riesige Schiff (14 Meter lang, 7 Meter hoch und 3 Meter breit), das auf Rollen von acht Bühnenmitarbeitern im Innern auf die Eisfläche geschoben wird. «Das ist die größte Requisite, die wir jemals mit auf Tour genommen haben», erläutert der technische Leiter Bogdan Lewko. Insgesamt 20 Container mit einem Gewicht von 150 Tonnen sind für die Tour unterwegs. 36 Stunden dauert der Aufbau mit fünf Elektrikern, fünf Bühnenarbeitern, zwei Tontechnikern und drei Eistechnikern, hinzu kommen 24 Leute einer lokal angeheuerten Crew.
«Die Dimensionen der Requisiten machen uns diesmal ein wenig Kopfzerbrechen», sagt Lewko. Schließlich könnten viele Dekorationen nicht in ihre Einzelteile zerlegt werden. Die «Diamantenhöhle», die einem kantigen Eisberg gleicht, ist aus superleichter Karbonfaser, um sie mühelos hin und her schieben zu können. Auch die Eisfläche mit einem Umfang von 42 mal 18 Metern muss in jeder Stadt - außer in Hamburg und Köln - aufgebaut werden. 7000 Liter Glykol werden dazu durch Aluminiumplatten gepumpt, die auf minus 10 Grad gekühlt und mit Wasser bespritzt werden.
350 Kostüme tragen die Tänzer während der zweieinhalbstündigen Show. An den aufwendigsten arbeitet eine Kostümbildnerin in Paris einen Monat. «Alle funkelnden Brillanten werden mit der Hand aufgenäht», sagt Produzent Peter O'Keeffe. 30 Prozent der insgesamt 4,5 Millionen Euro teuren Produktion fallen allein auf die Kostüme, von denen einige der deutsche Modedesigner Rudolph Moshammer entworfen hat. «Die Zuschauer wollen Glamour sehen», meint O'Keeffe. Und die Anweisung von Holiday-on-Ice-Chef Joop van den Endes sei ganz einfach: «Holiday on Ice soll die größte Eisshow der Welt sein.»
Davon ist in der tristen Halle noch wenig zu erahnen. Am Schwarzen Brett hängt der Ablaufplan der Show: Es gibt ein Schach-Spiel, bei dem die Figuren zu Leben erweckt werden, ein mittelalterliches Ritterspiel, die Piratenszene, ein Nachtclub der 20er Jahre. «Die Geschichte erzählt von einer Schatzsuche. Ein Held ist auf der Suche nach einem Diamanten und muss dabei zahlreiche Abenteuer bestehen», sagt Choreografin Sarah Kawahara. Am Brett hängt auch der Ablaufplan des Tages, die Tänzer drängeln sich, um zu sehen, wann sie an der Reihe sind.
Doch zunächst ist Pause. Eilig strömen einige der Tänzer in die kleine Kantine am Eingang der Halle. Dort hat Lindsay Peralta das Regiment übernommen. Neben ihrem Einsatz als Tänzerin versorgt sie die Kompanie mit heißen Suppen und Salaten, schließlich müssen sich Eiskunstläufer gesund ernähren. «Puh, war das anstrengend», meint die Finnin Sanna Maija erschöpft und lässt sich an einem der Tische nieder. Zur Stärkung holt sie sich erstmal eine Kürbiscremesuppe. Der 24-jährige Peter aus Dänemark flirtet ein wenig mit einer Kollegin, dann heißt es auch schon wieder hinaus aufs Eis.
Eine kleine Premiere steht an. Zum ersten Mal proben die Tänzer eine Unterwasser-Szene mit Requisiten, Licht und der passenden Musik. Die Halle verdunkelt sich, nur einige Scheinwerfer leuchten auf die Tänzer, die mit fluoreszierenden blauen Stoffbahnen Wellenbewegungen nachahmen. Danach folgen kleine bunte Fische in Gelb, Grün, Orange und Pink, die die Eiskunstläufer wie ein Mobile hin- und herbewegen. Den Abschluss bildet ein riesiger hellgelb leuchtender langer Fisch, der von mehreren Läufern gebildet wird. «Oh, wie wunderschön!», ruft Laura begeistert aus und hält alles für die anderen mit ihrer Videokamera fest.