Unser Mann am Elektro-Klavier Unser Mann am Elektro-Klavier: Reinhard Lakomy ist gestorben

Halle/MZ - Kinder hören ihre Lieblingsplatte nicht nur ein einziges Mal. Sie leben mit ihr, träumen ihr nach. Ein Umstand, dem der Musiker Reinhard Lakomy das Glück seiner späten Jahre verdankte.
Denn wenn ein Kind im Osten aufwuchs, dann saß es irgendwann einmal mit Kopfhörern unterm „Traumzauberbaum“, dem 1980 von Lakomy komponierten Musical-Hörspiel, in dem Gestalten mit merkwürdigen Namen herumwaldgeisterten: Moosmutzel, Waldwuffel, Zausel und Agga Knack. Die Kinder mussten schon bald nicht mehr nur lauschen, sie konnten zusehen, anfeuern, jubeln. Bis zum nächsten Mal. Auf über 100 Auftritte brachte es das „Traumzauberbaum“-Ensemble in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Eine Art immerwährender Weihnachtsrevue, die durch den Osten zog.
Bei allem äußeren Erfolg: Es war auch eine Art innerer Emigration, die Reinhard Lakomy nach dem Abgang der DDR unter den „Traumzauberbaum“ trieb. Das Ost-Publikum wandte sich ab, in den West-Medien war der Sänger von 70er-Jahre-Hits wie „Heute bin ich allein“ und „Es war doch nicht das erste Mal“ unbekannt.
Der Mann, der zu den vielseitigsten und wagemutigsten deutschsprachigen Rock- und Pop-Musikern gehörte, gab nicht auf. Wenn die alten Fans nicht mehr zu gewinnen waren, dann deren Kinder. So kämpfte sich der Musiker mit dem schulterlangen Haar und der Nickelbrille Anfang der 90er Jahre über Baumarktbühnen-Auftritte zurück ins Rampenlicht. Unter den Traumzauberbaum.
Der Weg als Musiker war dem gebürtigen Magdeburger von Anfang an vorbestimmt. 1946 geboren als Sohn eines Farbenhändlers, der kurz vor dem Mauerbau die DDR verließ und später vergaß, die Familie nachzuholen. Als Vierjähriger wurde Reinhard Lakomy in den Klavierunterricht geschickt. Ein Studium an der Dresdner Musikhochschule und privater Kompositions-Unterricht folgten. Mit 21 gehörte der Pianist zu den Gründern des Günther-Fischer-Quartetts. Fünf Jahre später, 1972, gelang ihm mit dem kauzig schunkeligen „Heute bin ich allein“ der Durchbruch als Sänger. Besser: als brummiger Klavierbegleitredner.
In den frühen Honecker-Jahren ließ der Musiker nichts anbrennen. „Für mich war mein Beruf immer eine Möglichkeit, nach einer Fete ordentlich auszuschlafen“, sagte er im Jahr 2000 augenzwinkernd der MZ. Wenn er nicht selbst sang, komponierte er für Kollegen. Von 1977 an widmete sich Lakomy der Film- und Bühnenmusik. Ein Entschluss, der mit der Heirat der Tänzerin Monika Ehrhardt zusammenfiel. Gemeinsam gaben sie 1978 die erste „Geschichtenlieder“-LP heraus. Zwei Jahre darauf kam der „Traumzauberbaum“ ans Licht.
Im Februar wurde öffentlich, dass Reinhard Lakomy unheilbar an Lungenkrebs erkrankt war. Alle lebensverlängernden Maßnahmen lehnte der 67-Jährige ab. Am Sonnabendmorgen starb der Vater von zwei erwachsenen Kindern in seinem Haus in Berlin-Pankow. „Er ist ganz friedlich in meinen Armen eingeschlafen“, teilte seine Witwe mit. Am Mittwoch nach Ostern soll der Deutschrock- und Elektroklang-Pionier auf dem Friedhof Berlin-Blankenburg beigesetzt werden. Das Reinhard-Lakomy-Ensemble will weiterarbeiten. Der Traumzauberbaum klingt weiter.
