«Unser allerbestes Jahr» von David Gilmour
New York/Toronto/dpa. - Ein Vater erlaubt seinem 15-jährigen Sohn, die Schule zu schmeißen - unter zwei Bedingungen: Er darf keine Drogen nehmen, und er muss sich mindestens drei Filme pro Woche mit ihm anschauen.
So fängt die wahre Geschichte des kanadischen Schriftstellers und Journalisten David Gilmour an, in der er liebevoll und ironisch zugleich ein höchst ungewöhnliches Experiment mit seinem Sohn Jesse schildert. «Unser allerbestes Jahr» (Originaltitel: «The Film Club») ist ein anrührendes, leichtfüßiges Buch über die Qualen des Erwachsenwerdens und die Macht der Elternliebe.
Jesse lässt sich das Angebot seines Vaters nicht zweimal sagen. Genervt von schlechten Noten, ständiger Büffelei und Leistungsdruck, nimmt er die Offerte nur zu gern an, sich gegen freie Kost und Logis dreimal die Woche mit seinem Vater vor dem Fernseher zu lümmeln. Es wird ein anspruchsvolles Programm. Angefangen von Francois Truffauts «Sie küssten und sie schlugen ihn» über «Psycho» und «Rosemaries Baby» bis zur Edward-Albee-Verfilmung «Wer hat Angst vor Virginia Woolf» zeigt der Vater, ein professioneller Filmkritiker, dem Sohn die ganz Bandbreite der Kinogeschichte.
Doch die Gespräche vor dem Fernseher werden meist keine drögen Dozentenstunden, sondern ein zunehmend vertrauter Dialog zwischen Vater und Sohn: über die Beziehungen zu Frauen und den Schmerz, wenn sie zerbrechen; über durchzechte oder durchkokste Nächte und den Kater danach - und immer wieder auch über die Zweifel, ob das Experiment gelingt. «Wir hätten genauso gut zusammen Fallschirmspringen gehen können», sagte der Autor später. «Es ging nicht um Filme. Es ging um etwas, was unglaublich wichtig für heranwachsende Kinder ist: Zeit mit ihnen zu verbringen.»
Gilmour, Jahrgang 1949, nicht verwandt und nicht verschwägert mit dem legendären gleichnamigen Pink-Floyd-Gitarristen, hatte allerdings auch beste Bedingungen. Er war damals gerade arbeitslos, der Verlag hatte sein voriges Buch abgelehnt, ein Job als Kunstkritiker war nicht in Sicht - er hatte also mehr Zeit als die meisten Eltern. Auch seine Frau Tina sowie seine noch sehr vertraute Ex-Frau, Jesses Mutter, spielten bei dem gewagten Experiment geduldig mit. Anders als der deutsche Titel vermuten lässt, dauerte es schließlich drei Jahre bis zum Happy End.
«Unser allerbestes Jahr» ist das erste von Gilmours bisher sieben Büchern, das auf Deutsch erscheint. In Kanada fand es begeisterte Aufnahme. «Wenn alle Söhne Väter wie David Gilmour hätten, wäre Ödipus eine vergessene Legende», befand Schriftstellerkollege Sean Wilsey.
Zwar hat der Autor gelegentlich einen übertriebenen Hang zu bildhaften Vergleichen, und seine Selbstironie klingt manchmal etwas bemüht - doch das nimmt der Geschichte nichts von ihrer Überzeugungskraft. Abgesehen davon, dass neben Jesse auch der Leser viel über Gary Cooper, James Dean, Clint Eastwood & Co erfährt, ist das Buch vor allem ein Mutmacher für alle Eltern von sperrigen Jugendlichen.
David Gilmour
Unser allerbestes Jahr
S. Fischer Verlag, Frankfurt
256 Seiten, Euro 18,95
ISBN 978-3-1002-7819-7