"Wacht am Rhein" "Wacht am Rhein": So war der "Tatort" zur Kölner Silvesternacht

Köln - Der Fall
Die Folgen der Silvesternacht sind nun auch im Kölner „Tatort“ zu spüren. Aus Angst vor Überfällen und Wut auf die vermeintlich untätige Polizei hatte sich in einem nicht näher benannten „Veedel“ eine Bürgerwehr mit dem vielsagenden Namen „Wacht am Rhein“ gegründet. Angeführt wurde sie von Dieter Gottschalk (überzeugend unsympathisch: Sylvester Groth – vielen Zuschauern unter anderem bekannt als Ermittler im „Polizeiruf 110“), der mit Sprüchen wie „Wir sind tolerant, aber irgendwo ist die Grenze“ die Stimmung gegen Flüchtlinge anheizte und seinen Nachbarn ein Gefühl permanenter Bedrohung vermittelte.
Auch der Ladenbesitzer Adil Faras (Asad Schwarz), der schon lange in Köln lebte und fürchtete, dass junge Nordafrikaner seinen Ruf zerstören, und die Mutter Nina Schmitz (Nadja Bobyleva) patrouillierten nun im Viertel, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Doch dann kam es zu einem Überfall auf die Zoohandlung von Peter Deisböck (Paul Herwig). Sein Sohn starb.
Die Auflösung
Es war in der Tat so, dass der junge Khalid Hamidi, der zuvor schon die Schwester des Opfers belästigt hatte, die Zoohandlung überfallen hatte. Besitzer Desböck selbst hatte das Gerücht gestreut, größere Mengen Bargeld in seinem Laden aufzubewahren. Nachdem seine Wohnung ausgeraubt worden war, fühlte er sich hilflos und hatte das Gefühl, irgendetwas tun zu müssen. Also hatte er sich eine Waffe besorgt und den Überfall provoziert. Doch dann ging alles schief und in der Dunkelheit erschoss er seinen eigenen Sohn. Die Waffe hatte er vom Chef der Bürgerwehr.
Adil Faras (Asad Schwarz) hatte im Übereifer den unschuldigen Studenten Baz Barek (Omar El-Saeidi) entführt und im Keller seines Ladens eingesperrt und schwer misshandelt. Als Faras den Studenten dann doch freilassen wollte, stach dieser in Panik zu. Faras starb.
Ein besonderer Gastauftritt
Ein besonderes Highlight dieses „Tatorts“ dauerte nur wenige Augenblicke: Klaus Doldinger, Komponist der „Tatort“-Titelmelodie, war in einer kleinen Gastrolle als Straßenmusiker zu sehen. Es war nach mehr als 40 Jahren und mehr als 1000 Folgen da erste Mal, dass er in einem der Krimis auftauchte. Doldinger spielte in „Wacht am Rhein“ eine Jazz-Version der „Tatort“-Melodie, genau in dem Moment, als die beiden Kommissare an ihm vorbeigingen.
Die Bürgerwehr „Wacht am Rhein“
Die Bürgerwehr nannte sich „Wacht am Rhein“. Der Name bezieht sich auf ein Lied, das im 19. Jahrhundert entstand, als Frankreich den Rhein als Ostgrenze seines Territoriums forderte. In dem Lied heißt es: „Lieb Vaterland, magst ruhig sein. Fest steht und treu die Wacht am Rhein!“
Ein nachbarlicher Zusammenschluss von Bürgern ist nicht verboten. Allerdings dürfen sich Bürgerwehren nicht bewaffnen. Auch das Durchsuchen von Personen oder die Feststellung der Identität ist nicht erlaubt. Das ist Aufgabe der Polizei
Das Fazit
Autor Jürgen Werner, der schon acht „Tatorte“ für das Dortmunder Team und zwei für die Kölner Ermittler („Kartenhaus“, „Franziska“) geschrieben hat, hat mit „Wacht am Rhein“ einen „Tatort“ vorgelegt, dem es gelang, die Verunsicherung vieler Menschen in Köln und in anderen Städten abzubilden. Jeder fühlte sich bedroht, jeder sah sich als Opfer. Die junge Mutter traute sich nicht mehr allein auf die Straße, der integrierte Immigrant aus Marokko hatte Angst, mit Kriminellen in einen Topf geworfen zu werden („Man hat mich im Viertel respektiert, aber ihr kommt hierher und macht alles kaputt.").
Der Leiter der Bürgerwehr nutzte die Ängste, um Stimmung zu machen. Und mittendrin rieben sich Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) auf. Wütend auf die Bürgerwehr, weil die meinte, Polizeiarbeit machen zu müssen, wütend auf junge Nordafrikaner, die sich mit illegalen Geschäften durchschlugen und keinen Respekt vor dem deutschen Staat und dessen Gesetzen hatten. Und der Polizei fiel nichts anderes ein, als hilflos große Plakate mit „Wir leben Integration“ aufzuhängen – obwohl sie auch keine Antworten hatte.
Der Kölner „Tatort“ neigt ja mitunter etwas zur Betulichkeit, doch die trieb Werner ihm mit „Wacht am Rhein“ aus. Und das war auch gut so.