TV-Kritik TV-Kritik: So war der Polizeiruf 110 aus Magdeburg

Magdeburg - Am Sonntag lief zum 45. Jubiläum der "Polizeiruf-110"-Reihe die Folge "Endstation" aus Magdeburg.
Der Fall
Ein toter Junge, eine kaputte Pflegefamilie, eine drogenabhängige Mutter, ein skrupelloser Gangster, eine Teenie-Schwangerschaft und ein krimineller Jugendlicher, der seinen Bruder erschlägt: Willkommen in Magdeburg! Die Klischees, die dieser Fall in sich trägt, könnten nicht offensichtlicher sein. Dabei ist dieser Polizeiruf durchaus ergreifend. Man fühlt mit den verzweifelten Eltern, der verunsicherten Bella, dem kaputten Sascha und selbst mit den Ermittlern ständig mit.
1. Alexander "Sascha" Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) ermitteln seit 2010 in Rostock für den NDR
2. Olga Lenske (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz, im Team seit 2015) ermitteln seit 2011 an verschiedenen Orten in Brandeburg für den RBB
3. Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) ermittelt seit 2011 in München für den BR
4. Doreen Brasch (Claudia Michelsen) und Dirk Köhler (Matthias Matschke, im Team seit 2016) ermitteln seit 2013 in Mageburg für den MDR
Die Aufzählung veranschaulicht schon das Problem des Krimis: er ist überfrachtet. Allein in der Familie des Opfers gibt es so viele Konflikte, dass man den Überblick verliert. Neben den Eltern, dessen Traum von einer glücklichen Großfamilie wie eine Seifenblase zerplatzt, ist es eigentlich die Geschichte von Sascha. Nino Böhlau (bekannt aus „Fack ju Göthe“) spielt den orientierungslosen Teenager zwar etwas zu angestrengt böse dreinschauend, doch er gibt in seiner wenigen Einstellungen einen bleibenden Eindruck von dem zerrütteten Innenleben seiner Figur. Dass er der Mörder sein könnte, deutet sich bereits früh an. Das er allerdings das eigentliche Opfer in der Geschichte ist, wird nicht erst klar, als er am Ende von der Pflegemutter erschlagen wird.
Die Schauplätze
Trostlos und trist: So zeigt sich Magdeburg. Einzig der Dom und die Elbe verstrahlen etwas Glanz. Doch auch die beiden Trutzburgen werden in Nebel und Dunkelheit gehüllt, als würde auf ihnen ein Schatten liegen. Ansonsten graue Architektur aus DDR-Zeiten: Plattenbau und heruntergekommener Altbau. Brasch wohnt über einem Erotik-Markt, die Tür schließt nicht richtig. Der Klischee-Gangster richtet sich in einer Altbau-Ruine ein wie in einem Puff.
Vollkommen unbeeindruckt von dem ganzen Treiben: Otto von Guericke. Der Gelehrte und ehemalige Bürgermeister sitzt als stummer Zeuge auf seinem Sockel in der Magdeburger Innenstadt. Weder das tote Kind, noch der von Selbstzweifeln geplagte Mautz oder die schnapstrinkende Brasch bringen von Guericke aus der Fassung.
Die Kommissare
Claudia Michelsen! Die 47-Jährige erweist sich immer mehr als Glücksgriff für den Magdeburger Krimi. Die von ihr gespielte Doreen Brasch ist wahrlich keine Sympathieträgerin. Doch eine Wohlfühlermittlerin wie Münster und Köln in der Tatort-Reihe bieten, wäre in Magdeburg auch deplatziert. Brasch trinkt, raucht und hat auch sonst einige Leichen im Keller. Aufgewachsen ohne Eltern, später alleinerziehend und den Sohn an die rechtsradikale Szene verloren. In „Endstation“ entblättert sich Braschs Vergangenheit Stück für Stück. Gern hätte sicher der eine oder andere Polizeiruf-Zuschauer mehr zu ihrem Kollegen Drexler erfahren. Im letzten Polizeiruf „Wendemanöver“ nahm seine Entwicklung spannende Züge an.
An seiner Stelle tritt jetzt Dirk Köhler, so nett und freundlich, dass man ihn einfach mögen muss – außer natürlich Brasch. Matschke spielt den strickjackentragenden Familienvater unauffällig, aber zielsicher. So hängt er sich beharrlich an seine Kollegin, von der er meist nur den Auspuff ihres Motorrads zu sehen bekommt. Köhler muss sich die Aufmerksamkeit seiner distanzierten Kollegin erarbeiten. Irgendwann platzt auch ihm der Kragen der Strickjacke. Sein „Bad-Cop-Gehabe“ im Verhör wirkt hölzern und aufgesetzt, hinterlässt aber merklich Eindruck bei Brasch. Hier besteht noch Luft nach oben.
Der heimliche Star
Der Motorradhelm. Zu Beginn hängt er lässig am Lenker. Dann wird Schutz für den messerscharfen Verstand der Ermittlerin Brasch durch Magdeburg gefahren, wird auf- und abgesetzt. Und auch Kollege Köhler stört sich bald an dem penetranten Auftreten des Kopfschutzes . Doch sein Intervenieren macht auch den Helm angriffslustig. Köhler kommt mit einem blauen Auge davon. Noch.
Fazit
Ob es nun das Jubiläum oder die weniger erfolgreichen Vorgänger waren: Die Verantwortlichen beim MDR gingen sehr ambitioniert an den Polizeiruf heran. Mit Matthias Tiefenbacher engagierte man einen erfolgreichen Regisseur (u.a. Tatort Münster) und stellte Michelsen einen erfahrenen Darsteller an die Seite.
Genützt hat es wenig. Was aber weniger an den Darstellern liegt, sondern vielmehr an dem überambitionierten und überfrachten Drehbuch. Bei all den Handlungssträngen gelingt es kaum eine Geschichte so zu erzählen, dass sie nicht wie beiläufig erzählt wirkt. Dabei birgt der Polizeiruf aus Magdeburg viel Potential. Es reicht allerdings nicht möglichst viel, möglichst gefühlsbetont zu verpacken. Vielmehr wäre eine reduziertere Version wahrscheinlich die bessere Alternative gewesen. (mz)