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"Tatort: Schlangengrube" "Tatort: Schlangengrube": Klassischer Krimi mit guten Schauspielern - Pinguin Sandy als Star

Von Oliver Görtz 27.05.2018, 19:53
Ein Pinguin in der Rechtsmedizin – mit Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl, l) und Prof. Boerne (Jan Josef Liefers, r.).
Ein Pinguin in der Rechtsmedizin – mit Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl, l) und Prof. Boerne (Jan Josef Liefers, r.). WDR Presse und Information/Redak

Köln - Der Fall:
Die Mäzenin des Münsteraner Allwetterzoos, Patrizia Merkens (Lilia Lehner) wird tot in ihrer Wohnung gefunden. Offenkundig ein Treppensturz, jedoch hat sie eine Menge Einstichstellen von Injektionen in der Bauchdecke.

Die Tote lebte zudem im selben Haus wie Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Grossmann), mit der sie im Dauerstreit lag, was die Juristin in den Kreis der Verdächtigen befördert. Merkens bekam offenbar diverse Schlangengifte gespritzt – als Krebstherapie.

Die Spur führt Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne in den Münsteraner Zoo. Dort war die reiche Tierfreundin täglich und hatte bemerkt, dass Tiere verschwinden oder plötzlich sterben.

Unterdessen entwickelt Boerne eine „forensische Kochsendung“ mit dem Titel „Boerne kocht“, in der er zuerst vor laufender Kamera eine Leiche untersucht und im Anschluss auf dem Obduktionstisch seine Kochkünste präsentiert. Lecker.

Er wirft sich dem eigenwilligen Produzenten und Gourmet Dr. Richard Stockmann (Robert Hunger-Bühler) an den Hals, von dem er hofft, dass er seine Sendung finanziert. Ähnliches hofft auch Henry Schlör, der sich mit einer Tier-Dokusoap im Münsteraner Zoo über Wasser hält, jedoch von Stockmann eine ambitioniertere Dokumentation bezahlt haben möchte.

Ums Geld geht es auch Zoo-Direktor Dr. Schönweis (Felix Vörtler), der keinen Hehl daraus macht, dass der Tod der Mäzenin ein harter finanzieller Schlag für den Tierpark ist.

Boerne und Thiel ermitteln weiter im Zoo. Letzterer schleust sich gar undercover als Tierpfleger ein und erfährt weitere Ungereimtheiten im Zusammenhang mit verschwundenen und verstorbenen Tieren. Offenbar sind mehr Tiere abhandengekommen als Zoo-Tierarzt Dr. Gremlich (Dirk Martens) dokumentierte.

Und dann gibt es da noch die Fahrrad-Mechanikerin Bente „Ben“ Frommer (Charlotte Bohning), die sich als Schwester der Ermordeten entpuppt und Angst um ihr Erbe bekommt, weil die Tierfreundin in ihrem Testament alles dem Zoo vermacht hat.

Die Auflösung:

„Ich habe Friedjof gefunden“, ruft Boerne seinem Spannmann Thiel durch Handy zu. Die vor geraumer Zeit aus dem Zoo verschwundene Robbe hängt im Kühlhaus der Edel-Metzgerei „Fleisch und Blut“, die Medientycoon Stockmann beliefert.

Der lässt sich exquisit zubereitete seltene Tiere servieren, die ihm der Zoo besorgt. Die Mäzenin kam offenbar dem überaus lukrativen Geschäft mit den Tieren im Kochtopf auf die Schliche. Der Zoo-Direktor musste handeln, auch getrieben von Tierfilmer Schlörs, der nur die Zusage für die Finanzierung eines aufwendigen Dokumentationsfilms bekommt, wenn er weiter mit dafür sorgt, dass Stockmann weiter exotische Tiere gekocht bekommt. Der Direktor hat Förderin dann einfach die Treppe heruntergestoßen, wobei sie sich das Genick brach.

Von Professor Karl-Friedrich Boerne in dieser Folge gelerntes Fremdwort:
Taxidermist - jemand, der tote Tierausstopft. Also ein Tierpräparator

Die Schauspieler:
Alle ausgezeichnet, aber keiner sticht hervor. Regisseurin Samira Radsi lässt jeden seine Rolle in fast schon gleichmütiger Souveränität spielen. Das ist bemerkenswert, passt aber zum homogenen Plot. Dass Thiel und Boerne im Fokus stehen, liegt in der Natur der Münster-Tatorte, die nur selten jemanden heller strahlen lassen als das kauzige Ermittler-Duo.

Der heimliche Star:
Brillenpinguin Sandy. Der Vogel hatte vor einigen Jahren bundesweite Bekanntheit erlangt, weil er sich in Münster in seinen Pfleger verliebte. Das brachte Sandy eine Menge TV-Auftritte unter anderem mit Einladungen von Johannes B. Kerner, Harald Schmidt und Stefan Raab. Im Tatort konnte der putzige Pinguin seine ganze Kameraerfahrung ausspielen und ließ sich lustig watschelnd durch den Krimi jagen.

Das Fazit:
Ein Kriminalfall in der Zoo-Szene ist zumindest mal kreativ. An der Logik der Geschichte gibt es nichts mäkeln, der Plot ist skurril, aber das muss er beim Münster-Tatort auch sein. Gestohlene Tiere, eine pervertierte Haute Cuisine, ein Tierpark in Existenznot, das kann man ruhig mal machen.

Man ahnt, was kommt, jedoch ohne schon nach der Hälfte den Mörder zu kennen. Hier wird der Kriminalfilm wahrlich nicht neu erfunden. Im Gegenteil, am Ende sind Ermittler und Verdächtige in einem Raum versammelt und der Täter wird mit erhobenem Zeigefinger überführt – so klassisch hat schon Agatha Christie ihren Hercule Poirot seine Fälle auflösen lassen.

„Schlangengrube“ plätschert so dahin, ohne dass sich Langeweile einstellt. Die Tatorte der jüngeren Vergangenheit wollten nicht selten das ganz große Rad drehen. Es ging gern mal um selbst am Ende unbesiegbare dunkle Mächte und vorgetäuschten Tiefgang, indem oft die Ermittler von Selbstzweifeln zerfressen, ihrer Arbeit überdrüssig, auf jeden Fall aber von schwerwiegenden persönlichen Probleme durchdrungen waren, was mit den Kriminalfällen selbst meist nichts zu tun hatte, und damit die eigentliche Geschichte überlagerte. Da war es nun ganz angenehm, eine derart harmlose Folge zu sehen, in der einfach ein Mordfall gelöst wird.