TV-Kritik zu "Hardcore" Tatort-Kritik zu Hardcore: So viel Sex gab es im "Tatort" wohl noch nie

Der Fall
Die junge Marie Wagner wurde erdrosselt in einem Geschäftsgebäude in der Münchner Innenstadt aufgefunden. Marie war unter dem Pseudonym Luna Pink Hauptdarstellerin der Produktion. Neben der Leiche stand ein Planschbecken voller Ejakulat und Urin, im Magen der Toten wurde Sperma von unzähligen Männern gefunden. Für Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) wurde der ohnehin schon heikle Fall noch kniffeliger, als sich herausstellte, dass das Mordopfer die Tochter des Oberstaatsanwalts war.
Der Täter
Die Ermittlungen führten zu Stella (Luise Heyer), einer Freundin und ehemaligen Kollegin der Toten, und zu zwei konkurrierenden Porno-Produzenten, die beide mit Geldsorgen zu kämpfen hatten. Doch es war Stellas Mann, der Marie getötet hatte. Er befürchtete, dass sie seine Frau wieder in die Branche holen und somit das mühsam aufgebaute Familienleben zerstören würde.
Das Thema
„Das ist keine Sternchenwelt. Das ist ein kleinbürgerlicher, spießiger, miefiger Sumpf“, resümierte Leitmayr irgendwann. Und er hatte recht. „Die Siebziger-Jahre-Pornobarone mit Whirlpools und dicken Zigarren, die existieren überhaupt nicht mehr“, sagt auch Regisseur und Drehbuchautor Philip Koch. „Damals gab es das tatsächlich. Ein bisschen was von diesem Mythos Porno existiert eigentlich nur noch in den USA. Da gibt es sogar noch Pornostars, da können die Leute wirklich sehr gutes Geld damit verdienen. In Deutschland ist das zu einer Art Hobby und Nebenbeschäftigung verkommen.“ Und zu einer sehr traurigen und trostlosen Angelegenheit, wie sein Krimi zeigte, der sich aber glücklicherweise mit moralischen Wertungen sehr zurückhielt. Die Bilder sprachen ohnehin für sich. Die Digitalisierung stellt eben auch die Pornobranche vor ganz neue Herausforderungen.
Die Ermittler
Dieser Krimi hätte furchtbar peinlich werden können. Wurde er aber nicht. Und das lag entscheidend an den Ermittlern. Assistent Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) lief zu Hochform auf und analysierte messerscharf, etwa beim Blick auf den Personalausweis: „Bei Künstler- oder Ordensname steht Luna Pink. Hört sich aber nicht nach einem Ordensnamen an.“ Zudem wandelten die beiden altgedienten, in Würde ergrauten Kommissare mit stoischer Ruhe durch Porno-Sets, besonders schön die Szene, als zwei Darsteller mit Leitmayr Steuerfragen erörterten und dann vorschlugen, er könne ja für einen Kollegen, der nicht auftauchte, einspringen.
Fazit
So viel Sex gab es vermutlich noch nie im „Tatort“. Und das ausgerechnet im konservativen München. Einen Krimi über die Abgründe der Pornoindustrie hätte man vermutlich nicht gerade vom Bayerischen Rundfunk erwartet, doch genau der hat sich mit „Hardcore“ an das Thema gewagt. Und da ging es oft ziemlich unappetitlich zu. „Hardcore“ war in vielerlei Hinsicht ein Wagnis, das aber erstaunlich gut gelang. Zum einen, weil die Ermittler genau richtig für diesen Fall waren, die Dialoge passten und weil wenig Explizites zu sehen war, dafür umso mehr im Kopf passiert. Die erstaunlich direkte Sprache – da war immer wieder von Schwanz, Wichsen, Gangbang und anderem die Rede – wird vermutlich viele Zuschauer am Sonntagabend vor den Kopf gestoßen haben. Ein sehenswerter „Tatort“ aus München, der für manche Diskussionen sorgen wird.