Tatort-Kritik Tatort-Kritik: Gelungene Persiflage auf die ewig gleichen Krimirituale

Der Fall
Das Klingeln des Telefons weckt Felix Murot (Ulrich Tukur) früh am Morgen. Es gibt einen Banküberfall mit Geiselnahme. Der Kommissar eilt zum Tatort. Zunächst scheint alles nach Plan zu laufen. Murot überredet eine Täterin aufzugeben, ihren Komplizen kann er überwältigen. Doch dann läuft die Sache aus dem Ruder. Murot wird erschossen – und wacht wieder in seinem Bett vom Klingeln des Telefons auf. Zuerst denkt er an ein Déjà-vu, doch bald schon muss er feststellen, dass er in diesem Tag feststeckt, immer und immer wieder dieselbe Geiselnahme durchlebt und am Ende auf viele höchst makabre Arten das Zeitliche segnet. Nur um am nächsten Tag wieder vom Klingeln des Telefons geweckt zu werden.
Die Auflösung
In einem „Tatort“, der mit allen Gesetzen des Krimis bricht, kann es natürlich nicht darum gehen, ganz klassisch einen Täter zu finden. Das Gegenteil war der Fall. Murot erkannte irgendwann, dass er die Zeitschleife nur verlassen würde, wenn der Tag ohne Tote zu Ende ging. Doch das zu erreichen, war gar nicht so einfach, denn auch der Geiselnehmer war gefangen in diesem einen Tag und hatte so gar keinen Antrieb, Murot zu helfen. Irgendwann gelang es dem Kommissar dann aber doch, ein unblutiges Ende herbeizuführen.
Das Thema
Schon der Titel des neuen „Tatorts“ - "Murot und das Murmeltier" - offenbarte, was Autor und Regisseur Dietrich Brüggemann mit Murot vorhatte. Der Polizist erlitt das gleiche Schicksal wie einst Reporter Phil in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ oder die Hauptfigur Nadia in der neuen Netflix-Serie „Matrjoschka“, die an ihrem eigenen Geburtstag stirbt – und das immer und immer wieder.
Das ganze Konzept „Tatorts“ ging vor allem deshalb so gut auf, weil Murot in den Tag mit einer höchst arroganten „Alles schon mal gesehen“-Haltung startete. "Geiselnehmer. Kennste einen, kennste alle", schimpfte er etwa. Die wollten doch eh alle nur dasselbe: viel Geld in kleinen Scheinen und einen vollgetankten Fluchtwagen. Es machte Spaß, ihm dabei zuzuschauen, wie er seinen eigenen Irrtum erkennen musste. Und weil es Tukur gelang, die so unterschiedlichen Gemütslagen des Kommissars an den einzelnen Tagen herauszuarbeiten, wurde es trotz der Wiederholungen auch nicht langweilig.
Fazit
Dietrich Brüggemann nutzte seine Grundidee, um auf höchst unterhaltsame Weise das Genre Krimi auseinanderzunehmen. Er persiflierte die ewigen gleichen Rituale - der Kaffee, der gereicht wird, die harten Jungs vom SEK, die allwissenden Reden der Ermittler. Vor allem aber führte Brüggemann das Ziel jeden Krimis ad absurdum. Denn der Kommissar musste ja eben keinen Mord lösen. Am Ende gab es dann überhaupt keine Toten – obwohl in den 90 Minuten viele Menschen auf sehr unterschiedliche Arten zu Tode gekommen waren.
In der ARD tut man sich in letzter Zeit ja schwer mit experimentellen „Tatort“-Folgen, und auch bei diesem Fall fanden Krimipuristen vermutlich Grund zu meckern. Alle anderen freuten sich jedoch über einen schlauen, lustigen und sehr unterhaltsamen Film. Großer Krimispaß.