"Der scheidende Schupo" Tatort "Der scheidende Schupo": Nora Tschirner spricht über ARD-Krimi

Weimar - Am Sonntag, den 5. Februar, ist Nora Tschirner bereits zum vierten Mal an der Seite von Christian Ulmen im „Tatort Weimar“ zu sehen. Die Kommissare Kira Dorn und Lessing suchen in „Der scheidende Schupo“ nach dem Mörder ihres vergifteten Kollegen Lupo. Elisabeth Krafft sprach für die Mitteldeutsche Zeitung mit Nora Tschirner.
Frau Tschirner, ursprünglich war der Weimarer Tatort als einmaliges Special geplant. Nun wird schon bald der fünfte Teil gedreht. Sind Sie langsam an dem Punkt, an dem auch Schluss sein dürfte?
Tschirner: Momentan bin ich noch nicht an dem Punkt. Ganz im Gegenteil: Ich glaube, wir nehmen immer mehr an Fahrt auf. Schon allein durch die unterschiedlichen Regisseure, die bisher mitgewirkt haben, kommt immer neuer Schwung rein. Gleichzeitig bleiben wir uns aber auch treu. So lange wir uns auf die neuen Bücher freuen und etwas Neues zu erzählen haben, möchte ich nicht abbrechen. Der nächste Dreh beginnt ja auch schon im Mai.
Dann verraten Sie doch etwas über den nächsten Tatort!
Tschirner: Ich weiß leider gar nichts. Beim „Scheidenden Schupo“ kannte ich zumindest schon die Gift-Geschichte, aber diesmal weiß ich nichts. Das ist aber auch in Ordnung so. Ich verderbe mir die Überraschung ungern selbst.
Wie ist Kommissarin Kira Dorn so als Typ?
Tschirner: Kira ist eine Polizistin, die sehr wenig über ihr Gegenüber urteilt und sehr verspielt ist. Sie geht nicht mit dem Gedanken heran: „Mensch, was die Leute hier schon wieder verbockt haben“, sondern versteht die Ermittlungen als großes Rätsel, das es zu lösen gilt. Noch dazu ist sie sehr empathisch. Deshalb fällt es ihr nicht schwer, auch mit den absurdesten Charakteren anzudocken. Eine Eigenschaft, die Lessing manchmal etwas schwerer fällt. Er bewahrt noch eher die Contenance.
Wenn Lessing und Dorn doch so unterschiedlich sind, passen die beiden denn überhaupt zusammen?
Tschirner: Man hat auf jeden Fall das Gefühl, dass sie ein Paar sind, das noch lange zusammen bleiben wird. Sie sind zwar in vielen Dingen sehr unterschiedlich, teilen aber die gleichen Werte und haben den gleichen Blick auf die Dinge, außerdem einen ähnlichen Humor. Sie beflügeln und inspirieren sich eher, als dass sie sich ständig an ihren Unterschiedlichkeiten abarbeiten.
Haben Sie in Vorbereitung auf ihre Rolle Krimis gelesen oder sich mit Polizeiarbeit beschäftigt?
Tschirner: Das war hier gar nicht so nötig. Wir sind ja schon eher ein Märchen. Ich bin so ein Kontrollfreak und auch so ein Streber. Wenn ich angefangen hätte, mich intensiv mit Polizeiarbeit zu beschäftigen, dann hätte ich am Ende wahrscheinlich alles in Frage gestellt. Von wegen: Na, das geht in Wirklichkeit aber anders. Dann hätten wir den ersten Film auch gar nicht drehen können. Kira Dorn war damals ja im achten Schwangerschaftsmonat. Natürlich ist da kein Polizist mehr auf der Straße im Einsatz. Aber entweder hat man Bock, eine Geschichte zu erzählen und checkt, das es kein Dokumentarfilm ist, oder man lässt es besser sein.
Und wenn Sie im nächsten Tatort eine Kampfszene drehen müssten?
Tschirner: Darauf müsste ich mich natürlich vorbereiten. Ansonsten leisten unsere Autoren die nötige Recherche.
Was soll am Weimarer Tatort eigentlich anders sein als an anderen Tatorten?
Tschirner: Wir haben eine eigene Tonalität, die sich auch deshalb durchzieht, weil wir immer mit den gleichen zwei Autoren arbeiten, Murmel Clausen und Andreas Pflüger. Dadurch entsteht eine bestimmte Atmosphäre, eine Trockenheit im Humor. Der Weimarer Tatort ist kein hartes Justizding. Da wären einerseits die Kommissare, die irgendwie fast schon über den Dingen stehen und andererseits diese märchenhaften Figuren, die schwer zu beschreiben sind. Mit denen fiebert man mit. Denn am Ende reitet sich ja doch jeder selbst oder den anderen aus menschlichen Defiziten heraus in die Misere. Und zum Schluss weiß man sowieso nicht mehr genau, wer es war, weil alle so ein bisschen schuld sind, aber irgendwie auch niemand so richtig. Das macht den Weimarer Tatort besonders.
Wenn ein neues Drehbuch für den Weimarer Tatort entsteht, haben Sie dann eigentlich ein Mitspracherecht? Zum Beispiel, was die Dialoge angeht?
Tschirner: Ich glaube, dass man die Rechte hat, die man sich nimmt. Wenn man sie freundlich und qualitätsbezogen - anstatt egobezogen - rüberbringt, verstehen die meisten Leute das auch. Die Produktion weiß, dass ich ein Teamplayer bin, deshalb wird mein Wort auch ernst genommen. Wenn Christian oder ich Vorschläge haben, sprechen wir mit Autoren und Regisseuren auf Augenhöhe und finden eine Lösung. Die Sache ist nur: Das ist hier beim Tatort Weimar äußerst selten nötig.
Gehören sie eigentlich zu den Millionen Deutschen, die sonntags regelmäßig vor dem Fernseher sitzen und den neuen Tatort schauen?
Tschirner: Ich bin tatsächlich eher ein Mediatheken-Gucker. Es ergibt sich selten, dass ich am Sonntag daran denke. Ich schaue auf Empfehlungen hin eher in der Mediathek. Meistens zwischen 20 und 6 Uhr, was mich selbst nervt, weil ich es lieber tagsüber schauen würde. Aber ich hole das dann lieber nach.
Verfolgen Sie denn die Zuschauer-Reaktionen auf den Weimarer Tatort schon während der Ausstrahlung im Netz? Zum Beispiel auf Facebook oder Twitter?
Tschirner: Das halte ich nicht aus. Ich kann das schwer verfolgen, während es passiert. Das macht mich fertig. Zumal das ja auch immer eine Masse an Leuten gleichzeitig guckt. Ich vergleiche das immer mit Silvester am Brandenburger Tor. Das ist mir zu viel gleichgerichtete Energie auf einmal. Die Chance, dass da schnell Bösartigkeit kommt, ist schwer auszuhalten. Ich mache das lieber mit Filter. Ich lasse Leute erst einmal Twitter auslesen und alle Level durchspielen. Letztens schrieb mir jemand: „Kannst du gucken. Ist 90 Prozent Liebe und nur der Rest Hass.“
Wieso sollte jemand, der den Weimarer Tatort noch nie gesehen hat, ausgerechnet am Sonntag einschalten?
Tschirner: Ich glaube, dass wer trockenen Humor mag, wird sich gut aufgehoben fühlen. Wer ein bisschen Leichtigkeit und Lakonie im Erzählton mag, wer Krimi mag und emphatisch ist, der kann großen Spaß haben. Und wer zum Teil groteske Situationen ganz gern leiden kann, der wird sich damit wohlfühlen.
Wie kamen Sie eigentlich dazu, beim Tatort mitzuspielen?
Tschirner: Die Entscheidung für den Tatort war sehr an den Fakt gebunden, dass Christian dabei sein würde. Christian kannte Murmel Clausen zudem schon als Autor. Und für mich steht und fällt es auch immer mit den Autoren. Zuvor hatte ich schon einmal ein Tatort-Angebot abgelehnt, bei dem ich relativ viele Freiheiten gehabt hätte, den auch mit zu entwickeln. Ich hätte damit aber nicht viel anfangen können.
Wieso wollten Sie denn diese Freiheit nicht?
Tschirner: Weil ich ehrlich gesagt keine große Erfahrung damit hatte, einen guten Krimi zu inszenieren oder eine gute Tonalität dafür zu ersinnen. Am Angebot, zusammen mit Christian zu arbeiten, wiederum mochte ich erst einmal die Absurdität der Idee, die die Produzenten Max Wiedemann und Quirin Berg da hatten.
Haben Sie das Drehbuch für den ersten Tatort da schon gekannt?
Tschirner: Wir bekamen erst einmal eine A4-Seite mit einer Szene, in der wir uns am ersten Tatort treffen. Die hatte mit dem späteren Film gar nichts zu tun, war aber eine erste Stil-Probe. Nachdem ich die gelesen hatte, war die Entscheidung gefallen. Wenn die so schreiben, dachte ich mir, dann möchte ich dabei sein.
Zum Schluss Hand aufs Herz: Wie viele Punkte würden sie „Der scheidende Schupo“ auf einer Skala von eins bis zehn geben?
Tschirner: Da bin ich leider total befangen. Ich mag den neuen Tatort sehr gern. Von allen Tatorten, die wir bisher gedreht haben, ist der letzte eigentlich immer mein liebster. Beim aktuellen Tatort finde ich zum Beispiel spannend, dass es emotional um so viel geht. Wir trauern ja um einen Kollegen, der im Sterben liegt, weil er vergiftet wurde. Aus absoluter gefühlsmäßiger Befangenheit heraus komme ich also um die volle Punktzahl nicht herum.
(mz)
