1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. TV & Streaming
  6. >
  7. "Schulz & Böhmermann": "Schulz & Böhmermann": Talk bei ZDFneo: Jan Böhmermann und seine "Obzession" für Johannes B. Kerner

"Schulz & Böhmermann" "Schulz & Böhmermann": Talk bei ZDFneo: Jan Böhmermann und seine "Obzession" für Johannes B. Kerner

07.04.2017, 09:24
Jan Böhmermann
Jan Böhmermann ZDF

Köln - „Schulz und Böhmermann“ – die etwas andere Talkshow der beiden namensgebenden Moderatoren Jan Böhmermann und Olli Schulz ist mittlerweile in der zweiten Staffel auf ZDFneo zu sehen. Die zweite Folge wird wieder kontrovers diskutiert – zwischen Rauchwaden der glimmenden Zigaretten und kurzen Pausen für den kleinen, die Zunge lösenden, Schluck Whisky bei fahlem Neonlicht am runden Tisch.

Nach der, man kann es sagen, fast schon vor Gewalt knisternden, diskussionsgeladenen letzten Folge trat diese Talkrunde in schwere Fußstapfen. Doch Thema und die Gäste boten auch diesmal wieder ein vielversprechendes Fundament für spannende Gespräche.

Das Thema: „Wir müssen miteinander reden - Dieser Bullshit-Satz fällt immer, wenn Leute nicht mehr miteinander reden wollen, sondern den anderen gerne tot sähen.“ Anlässlich dieses Themas luden Schulz und Böhmermann vier Menschen ein, die mit Reden ihr Geld verdienen. Aus dem Dschungel der TV-Landschaft sind die folgenden vier Moderatoren zum Gespräch am ikonischen runden Tisch geladen worden:

Sandra Maischberger (50), ihres Zeichens Journalistin, Moderatorin und Autorin, vor allem aber bekannt wegen ihrer Talkshow „Maischberger“ im Ersten, in der sie jeden Mittwoch Gäste zum Talk über politische und gesellschaftliche Themen einlädt.

Bettina Rust (49), Journalistin und Moderatorin, im RBB unterwegs mit der Sendung „Stadt, Land, Hund“, bei der sie Prominente trifft und sich deren Heimat, meist auf dem Fahrad, zeigen lässt. Im Hörfunk ist sie zu hören auf Radio Eins mit ihrem wöchentlichen Format „Hörbar Rust“.

Gert Scobel (57), Journalist, Fernsehmoderator, Autor und Philosoph, der unter anderem für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den HR und WDR gearbeitet, und auch Sendungen im ZDF moderiert hat. Darunter die nach ihm bekannte, wöchentliche Sendung „Scobel“.

Johannes B. Kerner (52), Fernsehmoderator und Journalist, wird vielen vor allem als ehemaliger Fußball-Moderator bekannt sein. „Ran“,“ das aktuelle Sportstudio“ und seine Talkshow „Johannes B. Kerner“ sind nur einige Formate, in denen er mitgewirkt hat.

Das Thema „Talkshows und ihre Problematik“ mit vier Moderatoren besprechen zu wollen erscheint auf den ersten Blick wohl einleuchtend, birgt aber auch Schwierigkeiten. Schließlich sind ausgebildete Moderatoren in der Lage, schwierige Fragen gekonnt zu umgehen –eben weil sie für gewöhnlich auf der anderen Seite stehen.

Johannes B. Kerner zeigte dies mit Bravour, als Jan Böhmermann ihm zunächst einige Fragen stellte, die ihm auf der Seele brannten, weil er über die Jahre eine „Obsession“ für den ehemaligen Sportmoderator aufgebaut habe, wie er selbst in typisch sarkastischer Manier sagte.

Johannes B. Kerner umschifft heikle Fragen

Scharf geschossenen, Böhmermann-typischen Fragen, wie „Was empfinden Sie, wenn Sie Lanz sehen?“, „Wen mögen Sie nicht?“, oder „Hat Sie das Fernsehen verändert oder waren Sie schon immer so?“ wich Kerner geschickt durch diplomatische Sätze ohne wirkliche Antwort aus.

Wirklich interessant wurde es bei der Frage „Gibt es etwas, dass Sie im Fernsehen nicht machen würden?“ Hier kam Böhmermann direkt auf das Interview mit dem damals elfjährigen Schüler zu sprechen kam, dass Kerner vor dem Hintergrund des tragischen Amoklaufs in Erfurt vor einigen Jahren in seiner Sendung abgehalten hat. Der Moderator nutzte das Beispiel als Chance, den damaligen Vorfall zu relativieren und betonte, dass nichts ohne das Einverständnis der Eltern abgelaufen wäre, machte jedoch deutlich, dass dies keinesfalls einer seiner Glanzmomente im Fernsehen war.

Die anschließende Frage, ob er die Sache bereue, umschiffte er jedoch geschickt. Er würde es nicht wieder tun, versicherte Kerner. Im weiteren Gesprächsfluss aber verfestigte sich, wie später von Olli Schulz angemerkt, der Eindruck, dass er es bereut habe – obwohl er es nicht wörtlich gesagt hat.

Maischberger zeigt sich offen

Mehr Offenheit kam dagegen von Sandra Maischberger. Sie zeigte von Beginn an Bereitschaft, über sich und ihre Funktion als Talkshow-Moderatorin mit recht hohem Einfluss und Reichweite zu reden.

Schulz eröffnete den Part der Moderatorin in der Gesprächsrunde mit der These, dass sie sich nicht an ihren eigenen Grundsatz halte, ihre Ansichten nicht in ihre Sendung mit aufzunehmen. Festgestellt haben will er das während eines stundenlangen YouTube-Marathons ihrer Sendung am Abend vor der Gesprächsrunde. Sie würde bei „höher gestellten“ Gästen weniger „freche Fragen und Antworten“ geben, als bei „untergeordneteren“ Gästen.

Maischberger antwortete angenehm offen: „Ich bin immer froh, wenn ich einen Gast eher nicht mag, dann fällt es mir leichter nett zu ihm zu sein. Wenn ich jemanden wirklich mag, dann habe ich immer Angst, dass man das zu sehr merkt. Da versuche ich immer mal frecher zu sein. Aber das heißt ja nicht, dass ich dadurch meine eigenen Themen in meine Sendung bringe.“

Scobel gibt der Sendung eine tiefgründigere Note

Die beiden anderen Gäste, Bettina Rust und Gerd Scobel, gingen aufgrund der eher dominanteren Ausstrahlungen ihrer Moderator-Kollegen ein wenig unter. Doch vor allem Scobel trug mit seinen wohl dosierten Beiträgen, die sich eher auf einer philosophischen und analytischen Ebene bewegten, immer wieder zu interessanten Impulsen bei. Sie lenkten die Gespräche in eine konstruktive Richtung, was bewirkte, dass während der Diskussionsrunde teilweise tiefgründige Themen zumindest angeschnitten wurden.

Scobel kritisierte vor allem die In-Szene-Setzung bestimmter Rollen innerhalb der Talkshows und das Unvermögen der Gäste, die in diese Rollen hineingedrängt würden, sich wieder daraus zu befreien.

Die von ihm gewünschte Kernaufgabe einer guten Talkshow sei, dass der Zuschauer mit einem Erkenntnisgewinn herausgehen sollte. Und eben nicht, ihn mittels, aus den Gästen hervorgelockter emotionaler Ausbrüche, zu instrumentalisieren. Ist die Talkshow die Lösung oder das Problem?

Als die Sendung nach der Hälfte der Sendezeit auf ihrem intellektuellen Zenit angekommen war, ging es, in Bezug auf Maischbergers Talkshow, um die dominierenden Themen der Flüchtlingsfrage und den wachsenden Populismus. Aber auch über die von Böhmermann kritisch in die Runde geworfene These, dass Talkshows Populisten, wie zum Beispiel Politikern der AfD, eine Plattform bieten würden, wurde diskutiert. „Ist die Talkshow die Lösung oder das Problem?“, fragte Böhmermann.

Maischberger, der man förmlich anmerken konnte, dass sie eine Überzeugung vertritt, konnte darauf eine Antwort geben. „Warum soll ich nicht etwas thematisieren, dass so stark im Fokus der Gesellschaft steht?“, fragte sie zurück. In ihren Augen müsse man kontroverse Themen diskutieren und dafür die Vertreter verschiedener Meinungen an einen Tisch bringen – nur so könne man Lösungen hervorbringen.

Am Ende gibt es Erkenntnisse - mit ironischer Note

Am Ende erlangte die Runde noch einmal philosophische Ebenen – wohlgemerkt mit der, für die Sendung typischen, ironischen Note. Böhmermann wollte von jedem Gast einen möglichen Erkenntnisgewinn der Sendung wissen und griff damit noch einmal Scobels Gedanken auf.
Für Kerner war es ein „netter Abend“. Mehr konnte man ihm am Ende leider nicht entlocken, obwohl er betonte, dass er sichtlich Spaß gehabt habe. Maischberger stellte fest, dass Schulz und Böhmermann „genauso sind, wie wir anderen Moderatoren“ – und das sei ja wohl enttäuschend.

Rust zeigte sich schockiert darüber, dass Schulz Pornografie auf eine Ebene mit „Liebe machen“ setzte, was er während eines Witzes wohl indirekt Preis gab. Für selbigen Witz sei er, vor einigen Jahren, seinen Job als „Warm Uper“ bei der Talkshow von Kerner gefeuert worden.

Gastgeber Böhmermann fasste es die Sendung am Ende mit seiner eigenen Erkenntnis charmant zusammen – nachdem Kerner ihn gefragt hatte, ob Talkshows denn nun das Problem oder die Lösung seien: „Weder noch. Auch von uns ist keiner das Problem oder die Lösung. Wir finden uns wohl alle ganz nett, sind alle etwas anderer Meinung und haben alle keinen Plan. Das ist etwas unbefriedigend.“