1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. TV & Streaming
  6. >
  7. Söder bei "Maischberger": Sandra Maischberger zu Recep Tayyip Erdogan: Markus Söder sicher - "Türkei hat keine Chance auf einen EU-Beitritt"

Söder bei "Maischberger" Sandra Maischberger zu Recep Tayyip Erdogan: Markus Söder sicher - "Türkei hat keine Chance auf einen EU-Beitritt"

Von Timo Lehmann 07.09.2017, 08:45
Sandra Maischberger ließ über Erdogan diskutieren.
Sandra Maischberger ließ über Erdogan diskutieren. WDR/Max Kohr

Es war das einzige Überraschungsmoment im Kanzlerduell am Sonntag. Martin Schulz verkündete, die türkische Regierung habe alle Chancen verspielt, die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei müssten abgebrochen werden. Ein Novum für die Sozialdemokraten, die lange Zeit in ihre Wahlprogramme schrieben, sie unterstützen das Beitrittsvorhaben der Türkei. Auf alles schien sich Angela Merkel vorbereitet zu haben, auf diese Wende wohl nicht. Sie kam kurz ins Stocken und schiebt den Satz nach: „Ich wollte noch nie, dass die Türkei Mitglied der EU wird.“

Am Mittwoch reagierte der türkische Präsident Erdogan in gewohnter Schärfe, und spricht von „faschistischen Methoden“ der Kanzlerkandidaten. Nazis seien sie nicht, aber im deutschen Wahlkampf „wetteifere man inzwischen darum, diesen Titel zu verdienen“.

Ein weiterer Tiefpunkt der derzeit immer schlechter werdenden Beziehungen der beiden Regierungen. „Erdogan – Deutschland: Kann die Eskalation gestoppt werden?“, fragte Sandra Maischberger am Mittwochabend ihre Gäste, und schon die Titelfrage erklärt, warum die Situation so verzwickt ist. Es geht eben nicht um einen Konflikt „Türkei – Deutschland“, sondern vor allem um Staatspräsidenten Erdogan und seine Provokationen.

Und so drehte sich die Diskussion, durchaus spannend, im Kern darum, was dieser Konflikt mit der Beziehung der beiden Bevölkerungsgruppen und jenen, die beiden angehören, eigentlich macht.

Yücel-Freundin ist für Weiterführen der Beitrittsverhandlungen

Inzwischen sitzen elf deutsche Staatsbürger in der Türkei in Haft. Die „taz“-Redakteurin Doris Akrap berichtete von den Haftbedingungen des seit sieben Monaten eingesperrten Welt-Korrespondenten Deniz Yücel. Präsident Erdogan schaltete sich persönlich in den Fall ein. „Es geht nicht darum, dass die Türkei nicht in die EU kommt, es geht darum, dass Erdogan nicht in die EU kommt“, sagt Akrap, die eng mit Yücel befreundet ist.

Sie fordert, alle Möglichkeiten von Wirtschaftssanktionen auszuschöpfen, nicht aber an den Beitrittsverhandlungen zu ruckeln. „Sollen wir den 50 Prozent der Türken, die nicht für Erdogan gestimmt haben, die Nase vor der Tür zuschlagen?“

Erdogan-Unterstützer rechtfertigt „außergewöhnliche Maßnahmen“

Anders sieht das CSU-Politiker Markus Söder. Die Türkei befinde sich auf dem Weg in eine Autokratie. „Es war ein falscher Glaube, man könne die Türkei mit den Beitrittsverhandlungen therapieren.“ Erdogan schimpfe dauernd auf die EU, „ein solches Land hat überhaupt keine Chance auf einen EU-Beitritt“. Die Moderatorin spielte ein Gedankenspiel mit Söder durch: Wenn ein türkischer Bürger in Deutschland in Haft käme, weil man ihn verdächtige, Mitglied des IS zu sein, würde ihn Deutschland freilassen?

„Wir würden zumindest alle konsularischen Regeln einhalten“, antwortet Söder. Immer wieder verhindert die türkische Regierung, dass die deutschen Diplomaten Zugang zu den deutschen Inhaftierten bekommen.

Als Vertreter Erdogans saß der Unternehmer Tugrul Selmanoglu in der Runde. Dass Yücel noch immer kein Verfahren bekomme und in Untersuchungshaft sitze, zeige doch nur wie „penibel“ die Regierung vorgehe, argumentiert er. Die Deutschen, zu denen er sich offensichtlich selbst nicht zählt, hätten nicht verstanden, in welcher Lage sich die Türkei befindet: Nach Terrorattacken und Putschversuch befinde man sich in einer außergewöhnlichen Lage, „die außergewöhnliche Maßnahmen“ erfordere. Während die türkische Regierung mit den Terroristen im Land beschäftigt sei, diskutiere man in Deutschland, ob man der Türkei erst Wirtschaftssanktionen auferlegen muss oder gleich die Beitrittsverhandlungen abbricht.

Welchen Standpunkt Selmanoglu vertritt, wird besonders deutlich, als er sich mit der Integrationsbeauftragen Aydan Özoguz, SPD, beharkt. Beide haben türkische Wurzeln, beide sind in Deutschland aufgewachsen und beide erlebten Rassismus. Während sich Selmanoglu nach den Diskriminierungserfahrungen Erdogan zuwandte, wurde Özoguz Politikerin, um die Situation zu verbessern. „Wie kommt es, dass sich Menschen in Deutschland vertreten fühlen, für die Türken in der Türkei zu sprechen?“, fragt Özoguz dann Selmanoglu.

Weltweit einmalige Verbindung

Der Türkei-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Günter Seufert, betonte die weltweit einmalige Verbindung, die zwischen Deutschland und der Türkei bestehe. Deutschland habe sich in der Auseinandersetzung mit den türkischstämmigen Mitbewohnern Fragen neu gestellt, etwa über das Verhältnis zu Religion, Pluralismus und Geschlechterrollen. Dass der Bundestag 2015 die Armenienresolution verabschiedet hat, hält er für falsch, weil es Erdogan nur genützt habe.

Per Liveschalte war zwischenzeitig der Schriftsteller Dogan Akhanli in der Runde. Um 8 Uhr morgens weckten ihn Polizisten in Spanien, auf Ersuchen der türkischen Behörden. Die türkische Regierung will auch in Europa gegen seine Gegner vorgehen. Auf Druck des deutschen Außenministeriums wurde er kurze Zeit später wieder freigelassen. 

Ganz zum Schluss der Sendung wurde Aydan Özoguz noch zu den Beleidigungen des AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland befragt, der kürzlich forderte, die SPD-Vizevorsitzende müsse „in Anatolien entsorgt werden“. Einen Tag habe sie darüber nachgedacht, wollte es an sich abprallen lassen, und es traf sie doch. Dass der frühere Bundesrichter Thomas Fischer Anzeige erstattet, findet sie gut. Sie fragte sich: „Mensch, darf man in Deutschland eigentlich alles sagen?“