"Starke Schultern" Polizeiruf "Starke Schultern": Hier hatte niemand eine weiße Weste

Der Fall
In “Starke Schultern” beschäftigt kein Mord die Hauptkommissare Doreen Brasch (Claudia Michelsen) und Dirk Köhler (Matthias Matschke) aus Magdeburg. Oder zumindest keine Leiche. Ein offensichtlich gelegtes Feuer in der Villa eines Großbau-Unternehmers fordert nur deshalb kein Todesopfer, weil der Hausbesitzer, ein unsympathischer Herr namens René Ottmann (Thomas Loibl), zufällig zum Tatzeitpunkt noch wach war. Ottmann passt ins Bild des klassischen Unsympathen Typ Großgrundbesitzer. Hochnäsig ist ihm die Ermittlung der Polizei anscheinend zuwider, über seine verstorbene Frau will er auch nicht reden und schon gar nicht will er preisgeben, wer ihn in der Nacht vor dem Brandanschlag besucht hatte. Feinde hat er viele: die Familie eines ehemals befreundeten Bauunternehmers Wettiger etwa, dessen Firma er erst in den Bankrott trieb und dann schluckte - in bester Antagonisten-Manier eben. Oder natürlich die dutzenden Arbeiter, die bei der Übernahme ihren Job verloren. Das Geständnis eines Uwe Schneider, der seit kurzem arbeitslos eine hochschwangere Frau versorgen will, stellt sich als gekauft heraus.
Brasch und Köhlers Ermittlungen werden begleitet von Polizeipsychologe Niklas Wilke (Steven Scharf), der von Kriminalrat Uwe Lemp (Felix Vörtler) bestellt wurde, um die Kommunikation zwischen den Partnern zu verbessern. Wilke trifft nicht unbedingt auf Gegenliebe, zumindest nicht bei Brasch, die sich gleich beobachtet und kontrolliert fühlt. Köhler hingegen schüttet seine Sorgen bereitwillig vor dem Psychologen aus und charakterisiert einen Konflikt, der weit drastischer geschildert wird, als er dem Zuschauer präsentiert wird. Klar, die Kommissare sind nicht immer einer Meinung, aber es fehlt schlicht jede Spannung, positiv oder negativ.
Als wäre das der persönlichen Dramen jenseits des Falls nicht schon genug, muss Lemp zur Krebsdiagnostik ins Krankenhaus - und bestellt Brasch als Bevollmächtigte.
Nach einer Nacht im Club (mit Männerbekanntschaft um den EInzelgänger-Charakter Braschs zu unterstreichen), findet die Kommissarin heraus, dass Ottmann eine Affaire mit seiner Schwägerin, der Schwester seiner Frau hat, die sich für die nächtlichen Stell-Dich-Eins als ebendiese Verkleidet. Ihr Mann, Axel Dietrich, besitzt einen Juwelierladen, der zwei Jahre zuvor überfallen wurde.
Auflösung
Der Überfall auf Dietrichs Juwelierladen stellt sich als Schlüssel zum Brandanschlag heraus. Brasch fördert eine unidentifizierte Leiche zutage (Stichwort “Leichen im Keller”), die kurz nach dem Überfall in einem Baggersee gefunden wurde. Mit einer Kugel im Rücken - und einem Schmuckstück aus Dietrichs Laden in der Hosentasche. Axel Dietrich erschoss den Räuber, seine Frau Susan benachrichtigte den Schwager um das Problem zu beseitigen (denn Großgrundbesitzer können sowas immer am besten). Ottmann nutzt die Gelegenheit und hat die Familie nun in der Hand.
Er zwingt Susan Dietrich zu der Affäre unter dem Namen ihrer toten Schwester mit ihm. Nach zwei Jahren ist ihre Geduld am Ende und sie legt das Feuer in Ottmanns Villa. Um die Kontrolle über seine Schwägerin nicht einzubüßen und die Affäre weiterzuführen, bezahlt Ottmann den glücklosen Uwe Schneider für sein falsches Geständnis. Es kommt zum Showdown zwischen Ottmann und Susan Dietrich, ihr Sohn Carsten platzt herein, die Kommissare kommen rechtzeitig dazu, niemand wird verletzt und sowohl Wolf im Schafspelz Ottmann, als auch Schaf im Wolfspelz Susan Dietrich werden verhaftet. Wilke bleibt auf Wunsch Lemps und mit Unterstützung von Brasch und Köhler als feste Unterstützung im Kommissariat und der Fall ist gelöst.
Fazit
„Starke Schultern” kommt ohne Schockmomente und ohne tiefere Gesellschaftskritik daher. Der Täter - oder in diesem Fall die Täterin - sind nicht gleich offensichtlich, allerdings ist von Anfang an klar, dass alle Akteure keine weiße Weste haben können. Beklemmend sind die Szenen zwischen Ottmann und seiner Schwägerin, und die Aufstellung, mit der Wilke die Ermittler unterstützen will. Ansonsten bleibt der Polizeiruf von Maris Pfeiffer (Regie) und Josef Rusnak (Buch) flach wie die Beziehung zwischen Brasch und Köhler.
Der Auftritt von Wilke, der den Charakteren eigentlich wohl Tiefe verleihen sollte, stößt bloß eine unglaubwürdige Redseligkeit aller Beteiligten an. Die Nebenhandlung, in der Ottmanns ehemaliger Konkurrent Wettiger nach einem Schlaganfall im Krankenhaus verstirbt - Ottmann war kurz zuvor in seinem Zimmer, es wird angedeutet, dass er etwas zu dem Kranken sagte, dass sein Herz überforderte - bleibt unbearbeitet. Mit Wilke als ständiger Addition zum Team kommt vielleicht in den nächsten Folgen ein wenig mehr vielseitige Dynamik auf.