Jubiläumsfolge aus Magdeburg Polizeiruf 110 aus Magdeburg: Wieso sich ein Einschalten lohnt - oder auch nicht

Magdeburg - „Wer schlägt einen Zwölfjährigen tot?“ Die Frage, die sich der vollkommen aufgelöste Hanno Schilchow (Ronald Kukulies) stellt, schwebt wie der dunkle Nebel der Elbe über Magdeburg auch über dem aktuellen Polizeiruf 110. Schilchows Pflegesohn Marko sackt frühmorgens ausgerechnet vor dem Magdeburger Polizeipräsidium zusammen und stirbt. Es gibt keine Zeugen, kaum Anhaltspunkte - bis auf eine goldene Uhr, die sich bald als wertvoll für die Ermittlungen erweisen soll.
Der fünfte Polizeiruf aus Magdeburg mit dem Titel „Endstation“ verdient in vielerlei Hinsicht erhöhte Aufmerksamkeit. Der Mitteldeutsche Rundfunk verleiht der Folge den Status eines Jubiläums: 45 Jahre hat die Krimireihe auf dem Buckel, das muss gefeiert werden. Wobei besonders der MDR in Sachen Krimi wenig zu feiern hätte. Im Gegensatz zu den von den Kritikern wohlwollend bis euphorisch aufgenommenen Fällen aus Rostock und München, hinkt Magdeburg hinter den Erwartungen zurück.
Wohl auch deshalb zog sich Schauspieler Sylvester Groth aus der Produktion zurück. Insider sprachen von Diskussionen über Drehbücher. Von den Quoten des mittlerweile abgesetzten Leipziger „Tatort“ und dem Debakel in Erfurt ganz zu schweigen.
Nach dem Ausstieg von Groth, der in den ersten fünf Folgen (Folge „Wendemanöver“ war eine Doppelfolge) den Ermittler Jochen Drexler mimte, bekommt Claudia Michelsen einen neuen Partner an die Seite gestellt. Matthias Matschke soll die Lücke als Hauptkommissar Dirk Köhler schließen. Geblieben ist die taffe Doreen Brasch, die wie ein ostdeutscher Schimanski stets die harte, unnahbare Ermittlerin spielt. Claudia Michelsen, soviel sei verraten, glänzt in ihrer Rolle und rettet phasenweise den Polizeiruf.
Der für einige Tatort-Folgen in Münster verantwortliche Regisseur Matthias Tiefenbacher soll dem Magdeburger Krimi neuen Schliff geben. Doch das erweist sich abgesehen von Darstellerin Michelsen als Sisyphusaufgabe.
Für die Aufklärung des Mordfalls müssen Brasch und ihre neuen Kollegen tief in die Seelenabgründe einer Familie schauen. Die heile Welt der Schilchows ist längst nur noch Fassade in den Köpfen der Eltern. Vater und Mutter wirken hilflos und überfordert. Mit den Pflegekindern Marko und seinem älteren Bruder Sascha sowie der geistig zurückgeblieben Nadine stellen sie ihrer leiblichen Tochter die gewünschte Großfamilie an die Seite.
Doch die Brüder können ihre Vergangenheit nicht abschütteln. Groß geworden bei der drogenabhängigen und labilen Mutter, bleiben sie verletzlich und integrieren sich schwer in das „kleine spießbürgerliche Leben“ der Schilchows.
Das hier etwas nicht stimmt, wird Brasch und Köhler schnell klar. Neben den lange Zeit undurchsichtigen Verhältnissen und Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern arbeitet Brasch sich gleich an mehreren Fronten ab. Der unverschämt nette Köhler, der mit seiner Strickjacke und Familienvaterrolle einen starken Kontrast zum peniblen Drexler bietet, geht ihr furchtbar auf die Nerven. Ihr Sohn ist zurück aus dem Gefängnis, zieht bei ihr ein und ist seinerseits genervt von den Annäherungsversuchen seiner Mutter.
Und als ob das nicht schon genug wäre, will Kollege Mautz (Steve Windolf) seinen Dienst quittieren, weil er „einfach nicht mehr kann“.
Brasch ist an allen Ecken und Enden gefragt. Sie rast ständig mit ihrem Motorrad von einem Verhör zum nächsten. Dieser Polizeiruf ist eindeutig ein Michelsen-Krimi und gerade deshalb sehenswert. Dass sie allein den Fall nicht lösen und den Polizeiruf retten kann, zeigt sich am Ende: Dann ist ihr Kollege Köhler gefragt – mit vollem Körpereinsatz. (mz)
„Endstation“, Polizeiruf 110 läuft am 29. Mai 2016 um 20.15 Uhr in der ARD
1. Alexander "Sascha" Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) ermitteln seit 2010 in Rostock für den NDR
2. Olga Lenske (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz, im Team seit 2015) ermitteln seit 2011 an verschiedenen Orten in Brandeburg für den RBB
3. Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) ermittelt seit 2011 in München für den BR
4. Doreen Brasch (Claudia Michelsen) und Dirk Köhler (Matthias Matschke, im Team seit 2016) ermitteln seit 2013 in Mageburg für den MDR
