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Bremer "Tatort"-Schauspieler Oliver Mommsen: "Tatort"-Schauspieler: "Ich bin gern Hobby-Bulle"

Von Anne Burgmer 29.10.2016, 18:22
Oliver Mommsen (r.) und Sabine Postel
Oliver Mommsen (r.) und Sabine Postel dpa

Köln - Herr Mommsen, der neue Bremer „Tatort“ läuft im Rahmen der ARD-Themenwoche „Zukunft der Arbeit“. Wie hat sich Ihr Beruf durch die Digitalisierung verändert?

Wir waren einer der ersten „Tatorte“, die digital gedreht haben. Ich erinnere mich noch an die neuen Kameras, die ein ganz anderes Schärfenverhältnis hatten. Da mussten wir wieder präzise auf den Marken stehen. Dabei waren Sabine Postel und ich schon glücklich, wenn wir im richtigen Raum waren. Und plötzlich wurde man auf Millimeter festgenagelt. Jeder musste noch mal umlernen. Aber die Filmbranche hat sich von dem Schock erholt. Heute spielen wir mit den neuen Möglichkeiten. Das hat den kreativen Bereich sehr erweitert.

Sie profitieren von der Entwicklung?

Ja, wir profitieren sehr von der Digitalisierung, denn wir können immer komplexere und größere Geschichten erzählen, obwohl wir in einer Kiste stecken, die blau angemalt ist. Wir können Menschenmassen behaupten, obwohl nur drei Leute da sind. Mir macht dieses Spiel mit der Realität Spaß.

Aber es macht doch einen Unterschied, ob man Menschenmassen nur animiert oder tatsächlich in einer steht.

Ich durfte einmal bei „SK Kölsch“ im Tanzbrunnen auf die Bühne, weil ich ein Mitglied von Brings spielte. Ich habe mir in die Hosen gemacht vor Aufregung. Aber als das Publikum mich gefeiert hat, war das Adrenalin pur. Ich bin fünf Tage nicht mehr runtergekommen. Ja, so etwas fehlt einem dann. Und das kann man auch nicht spielen. Aber andererseits: wer auf der Schauspielschule lernt, eine sterbende Amöbe zu spielen, stellt sich auch der Aufgabe. Es gehört eben auch zu dem Beruf, ganz viel aus dem Nichts zu machen.

Das Ende der Entwicklung könnte sein, dass man irgendwann auch die Schauspieler animiert.

Ich glaube, wir sind noch nicht solche Diven, dass die Leute wollen, dass man uns animiert, weil wir dann weniger Stress machen. Und wir kosten auch weniger als eine riesige Maschine, die das alles rechnen muss. Aber klar kommt da noch viel auf uns zu. Es wird aber immer noch eine Nische für echte Menschen geben. Ein kleines Kammerspiel mit computeranimierten Menschen oder zwei Avatare, die durch Bremen rennen und ermitteln, stelle ich mir befremdlich vor.

Wie nah ist denn der neue „Tatort“ an der Realität?

Wir nehmen das, was möglich ist und drehen die Schraube noch ein bisschen weiter, um in eine Geschichte zu kommen. Noch sind wir im fiktionalen Bereich. Es gibt ja auch Kritiker die sagen, dass Avatare niemals komplett eigenständig emotional reagieren werden. Das menschliche Gehirn in Kombination mit unseren Emotionen kann man nicht knacken.

Aber führt man die Zuschauer da nicht in die Irre?

Wir sind nicht die „Tagesschau“. Wir erzählen eben Geschichten, die so sein könnten. Das ist ein schönes Gedankenspiel. Mein liebster Strang ist, wie schnell das Kind wechselt von: „Meine Mutter ist tot“ zu „Irgendwie ist sie ja noch da“ und weiter mit Nessa kommuniziert. Das sind die stärksten Momente, da wird es unheimlich. Wenn es irgendwann mal so weit ist, braucht man den richtigen Menschen ja gar nicht mehr.

Was hat Sie denn an der Technik am meisten beeindruckt beim Dreh?

Ich hatte zum ersten Mal eine Virtual-Reality-Brille auf. Da war ein Testvideo, wo ein Typ in New York in seinem Loft am Klavier sitzt. Man kann sich umgucken und vergisst, dass man nicht in New York ist. Man verschwindet in einer anderen Realität. Das wird in Zukunft bestimmt noch spannend. Und wenn man so plötzlich Julia Roberts küssen kann, dann hab ich nichts dagegen.

Sie sehen also eher die Chancen als die Risiken der Entwicklung?

Wenn man sieht, wie intuitiv Kinder mit dieser Technik umgehen, dann stellt man doch fest, dass das eine gute Sache ist. Es bietet uns riesige Möglichkeiten. Was mich umtreibt ist die Frage: Wie gehen wir mit der Technik um? Wir werden ja jetzt schon von ihr beherrscht. Wie oft ich aus Langeweile auf mein blödes Telefon schaue. Es wurde mir kürzlich geklaut. Da ist man erstens verloren und merkt plötzlich, welche Mechanismen man entwickelt hat. Man greift ins Leere. Die Technik soll ja für uns da sein und nicht wir für die Technik.

Sie sind schon seit 2001 beim „Tatort“. Eine lange Zeit.

Ja, ich mache das tatsächlich schon seit 15 Jahren und frage mich manchmal selbst, wie das passieren konnte. Dann sieht man einen der ersten Filme und denkt: „Wer hat dem Kind eine Waffe in die Hand gedrückt?“ Ich stelle schon fest, wie sehr wir uns entwickelt haben. Im Vergleich zu den neuen Teams, die sofort unter die Lupe genommen werden, konnten wir uns ausprobieren.

Sie haben noch Lust auf die Rolle?

Ich bin gerne Hobby-Bulle. Mir macht das immer noch unglaublich Spaß. Aber es kann natürlich irgendwann vorbei sein. „Tatort“ ist keine Festanstellung.

Im November läuft die 1000. Folge des „Tatort“. Wie erklären Sie sich diesen anhaltenden Erfolg?

Es ist ein Ritual für viele. Mich sprechen immer mehr junge Leute an, die sagen: „Ich habe es schon mit meinen Eltern geguckt, jetzt gucke ich es mit meiner WG“. Und später schauen sie es dann mit ihren Kindern. Das ist Tradition. Und es war wichtig, den „Tatort“ immer weiterzuentwickeln. Neue Teams, neue Erzählweisen. Tukur macht auf Shakespeare, Schweiger sprengt Hamburg in die Luft. Unter dem Oberbegriff Tradition wurde da alles richtig gemacht. Man kommt einfach nicht am „Tatort“ vorbei.