"Tatort"-Kritik Kritik zum Dortmunder "Tatort": Solider Krimi in einer alptraumhaften Parallelwelt

Der Fall
Das Tollwut-Virus als Mordwaffe, das ist der mehr als originelle Grundeinfall des Dortmunder „Tatort“. Im dortigen Knast gibt es mehrere offensichtlich oder mutmaßlich durch eine einschlägige Infektion herbeigeführte Todesfälle. Wie das Ermittlerteam mit Martina Bönisch (Anna Schudt), Peter Faber (Jörg Hartmann) und Nora Dalay (Aylin Tezel) herausbekommt, steckt dahinter – offenbar – die albanische Mafia im Gefängnis, die solchermaßen Unruhe unter den Insassen erregen, ihre Verlegung erzwingen und den Transport für die Flucht nutzen will.
Auflösung
Zu spät erkennen die Kommissare: Der unbeliebt-egomane Kollege Faber lag richtig mit seinem Ursprungsverdacht, demzufolge der Häftling Markus Graf, ein Mehrfach-Mörder, der den Tod von Fabers Frau und Kind auf dem Gewissen hat, der Drahtzieher hinter der Todesserie wie auch dem albanischen Ausbruchsversuch ist. Und nicht den Albanern gelingt dieser, sondern ihm selbst. Als der Film endet, befindet er sich auf freiem Fuß. Der Fall ist geklärt, aber der Täter flüchtig. Kein „schöner“, „runder“ Ausgang.
Schauspielerleistungen
Allesamt gut bis sehr gut, plausibel und glaubwürdig. Lediglich Florian Bartholomäi als Mehrfach-Mörder Graf gibt allzu aufdringlich den Bilderbuch-Psychopathen.
Bester Dialog
Rechtsmedizinerin Dr. Greta Leitner (Sibylle J. Schedwill): „Das ist eine Freakshow, was da in den Dating-Portalen im Internet an Männern über 50 herumläuft.“ Darauf Kommissarin Bönisch: „Dann nehmen Sie doch einen unter 30.“
Relevanz des Themas
Die im „Tatort“ modisch gewordene Gesellschaftsdimension fehlt hier weitgehend. Der Film will auch keine kritische Knaststudie sein – zumal am Ende ein persönlich verantwortlicher und durch soziale Umstände kaum entschuldbarer, jedenfalls nicht entschuldigter Täter ausfindig gemacht wird.
Fazit
Ein solider Krimi mit gut gebauter und durchgehaltener bzw. nach oben weisender Spannungskurve sowie einigen nahezu spektakulären Showdown-Effekten. Der Plot (Drehbuch: Jürgen Werner) ist ziemlich gesucht, allemal bemerkenswert aber ist die dichte Atmosphäre, die schon dadurch ermöglicht wird, dass ein Großteil der Handlung im Gefängnis abläuft, in einer durch Aggression und Angst dominierten, albtraumhaften Parallelwelt. Regisseur Dror Zahavi nutzt die einschlägigen Chancen bis zur Neige aus. Eindringlich herüber kommen auch die Auseinandersetzungen im Ermittlerteam. Hier geht es nicht um das übliche misslungen-halbironische Geturtel und Geplänkel, sondern um nahezu existenzielle Konflikte, die tief in Struktur und Biografie der Handelnden gründen.
