"Hart aber fair" zu Antisemitismus Hart aber fair mit Frank Plasberg: Gil Ofarim berichtet von Hakenkreuzen auf der Schulbank - Antisemitische Erfahrungen in der Kindheit
Köln - Israel hat am Montag sein 70-jähriges Bestehen gefeiert – die arabische Welt reagierte mit Wut, es kam zu blutigen Massenprotesten am Gazastreifen mit Dutzenden Toten und mindestens 2800 Verletzten. In Deutschland mehrten sich in der Vergangenheit antisemitische Übergriffe auf Juden. Wächst auch bei uns die Feindschaft gegen Israel? Und ist Kritik an Israel immer gleich antisemitisch? Diskutiert wurde bei Frank Plasberg aber vor allem der Nahost-Konflikt und Israels Politik.
US-Botschaft in Jerusalem – Fehler oder logischer Schritt?
Melody Sucharewicz, ehemalige Sonderbotschafterin Israels, meint, die Eröffnung der US-Botschaft sei schlicht die Anerkennung einer simplen Realität: Jerusalem sei seit über 3000 Jahren die Hauptstadt Israels. „Israel ist ein souveräner Staat, der das Recht hat, seine eigene Hauptstadt zu deklarieren“, sagte sie. Für Palästina bedeute dies allerdings: Die Uhr tickt. Und das nicht unbedingt für die Palästinenser. Israel habe zudem keine Wahl, als sich zu verteidigen, da die Hamas Kinder und Frauen in blutige Kämpfe schicke.
Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin und Kolumnistin für den „Kölner Stadt-Anzeiger“, sagt, Jerusalem sei eine sehr zerrissene Stadt mit einer zerrissenen Bevölkerung. Sie schätze Jerusalem, weil die Stadt für so viele Religionen so wichtig sei. Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem hält sie aber für einen Fehler, der es nahezu unmöglich mache, Frieden zu schaffen.
Dietmar Ossenberg, ehemaliger Nahost-Korrespondent des ZDF, lebt noch heute in Kairo. Er macht deutlich, dass der Antisemitismus viele Jahre in der arabischen Welt Staatsdoktrin gewesen ist. Dies ändere sich zum Glück seit geraumer Zeit. Er sagte jedoch auch, dass es kein arabisches Land gebe, in dem eine offene Diskussion stattfinde, da die diktatorischen Regimes dies nicht zulassen. Zudem hätten nun Israel und die USA mit der Botschafts-Entscheidung den Friedensprozess im Nahen Osten nahezu unmöglich gemacht.
Hundekot im Briefkasten bei Familie Ofarim
Gil Ofarim, Musiker und Schauspieler, beschreibt judenfeindliche Vorfälle, die er als Kind erlebte. Sprüche wie „Weißt du, dass Dachau nicht weit weg ist?“, regelmäßig Hundekot im Briefkasten oder Hakenkreuze auf seiner Schulbank – das tue weh. Israel sei das einzige Land, das die Juden hätten, in dem sie nicht verfolgt würden. Zugleich meint er, dass Kritik an Israel ganz wichtig und Benjamin Netanjahu nicht ganz Israel sei.
„Ein Nazi fällt ja nicht vom Himmel“
Uwe Karsten-Heye, Autor und Publizist und Vorstandsvorsitzender des Vereins „Gesicht zeigen!“, zeigt sich in der Debatte am leidenschaftlichsten. In Deutschland habe es zu keinem Zeitpunkt eine wirkliche innere Läuterung gegeben, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie es zur fabrikmäßigen Ermordung von Millionen von Juden kam. Auch dass bis weit in die 50er und 60er Jahre hinein Nazi-Eliten auf denselben Posten gesessen hätten, sei bezeichnend. Der heutige Antisemitismus komme nicht von ungefähr – ein Nazi fällt ja nicht vom Himmel, sagte er salopp.
Es sei einfach, mit dem Finger auf arabische Antisemiten zu zeigen – die gebe es auch unter uns Deutschen genug.
Am eindrücklichsten sind seine Worte zur Solidaritäts-Veranstaltung „Berlin trägt Kippa“. Wir hätten eine historische Erfahrung hinter uns, in der „das deutsche Volk die Schnauze gehalten hat.“ Es sei wichtig, Haltung zu zeigen. Er ist überzeugt davon, dass Antisemiten in Deutschland in der Minderheit seien.