Fernsehdokumentation Etta Cameron: "Die Stimme Amerikas" zeigt die Sängerin in der DDR

Berlin - Sie war der Star der TV-Shows aus Adlershof, sie sang im Duett mit Manfred Krug und spielte in Defa-Komödien mit – die schwarze Soul-Sängerin Etta Cameron gastierte aber nicht etwa nur in der DDR, sondern lebte fast fünf Jahre im Osten Berlins.
Autor Michael Rauhut, der seit vielen Jahren die DDR-Musikszene erforscht, stieß bei Recherchen über Bluesmusik in Kirchen auf diese Episode. Die Amerikanerin Cameron trat mehr als 100 Mal in Kirchen der DDR auf, und welch unvergesslichen Eindruck ihre Gospelabende hinterließen, erklären ein Thüringer Pfarrer sowie private Mitschnitte im Film.
Etta Cameron: Soul-Sängerin wurde in der DDR mit Angeboten überhäuft
Die RBB-Doku „Die Stimme Amerikas“ (Dienstag, 08.11.2016, 20.15 Uhr) lässt DDR-Musikerkollegen zu Wort kommen, wie Hannes Zerbe, der Cameron am Klavier begleitete, oder Uschi Brüning, deren Vorbilder allesamt schwarze Sängerinnen waren. Die Kinder der 2010 mit 75 Jahren verstorbenen Soul-Lady erinnern sich daran, dass sie im Osten wohnten, aber in Westberlin zur Schule gingen.
Michael Rauhut erklärt Camerons DDR-Aufenthalt damit, dass sie hier mit Angeboten überhäuft wurde. Wer bei Wikipedia nachliest, bekommt ihre Legende aufgetischt, sie habe im Osten bleiben müssen, weil sie ihren US-Pass verloren habe.
Michael Rauhut geht im Film auf diese Falschbehauptung und die geheimdienstlichen Hintergründe von Camerons damaligem Mann nicht ein, erklärt aber auf Nachfrage der MZ: „Die Akten zeigen: Sie konnte jederzeit reisen und war ständig unterwegs, nutzte die DDR einfach als Sprungbrett ihrer Karriere.“
Obwohl diese Biografie schon für sich allein genommen genug Filmstoff ergeben hätte, spannt die Doku den Bogen sehr viel weiter, umreißt den Umgang mit amerikanischer Musik von den 50er Jahren an – sowohl bei den Fans im Osten als auch bei der Kulturpolitik der DDR.
Zeitzeugen erinnern sich an Etta Cameron und ihre Auftritte in der DDR
Zeitzeugen wie die Saxofon-Legende Ernst-Ludwig Petrowsky oder der Publizist Siegfried Schmidt-Joos erinnern sich an die Anfänge. In den 50er Jahren wäre ein Gastspiel aus Amerika noch völlig undenkbar gewesen. Ob Jazz oder Rock’n’Roll – alles galt als dekadent.
In den 60er dagegen erkannten einige Kulturpolitiker, dass sich mit Sängern „des anderen Amerika“, mit den „Stimmen der Unterdrückten“, auch Propaganda machen ließ.
Der Film zeigt DDR-Auftritte von Paul Robeson, Louis Armstrong, Pete Seeger und Joan Baez von Anfang bis Mitte der 60er Jahre. Publizisten wie Christoph Dieckmann, Karlheinz Drechsel oder der aus den USA stammende Victor Grossmann beschreiben den Kontrast zwischen den privaten und den offiziellen Amerikabildern.
Da das zum Mythos verklärte Sehnsuchtsland – dort der Hort der imperialistischen Ausbeuter. Selbst Karl-Eduard von Schnitzler muss hier zitiert werden, der 1989 stur erklärte, die USA wären die letzte Gegend, in der Europäer etwas zu lernen hätten. Inzwischen war Bruce Springsteen in Berlin-Weißensee aufgetreten und von 160 000 Fans gefeiert worden.
Nach Etta Cameron kam Dean Reed als amerikanischer Musiker in die DDR
Der Fokus der RBB-Doku ist aber vor allem auf die schwarze Musik aus Amerika gerichtet und konzentriert sich dabei auf die 60er und 70er Jahre.
Kurz nachdem Etta Cameron die DDR wieder verließ, kam ein anderer US-Sänger dauerhaft nach Ostberlin und ließ sich noch stärker vereinnahmen: Dean Reed. Der wird im Film nicht erwähnt – seine Geschichte ist aber schon in Dokus wie „Der rote Elvis“ erzählt worden. (mz)