Erdogan-Vertrauter bei "Maischberger" Erdogan-Vertrauter bei "Maischberger": "Die Türkei hat kein Problem mit Pressefreiheit"
Mitten in der Böhmermann-Staatsaffäre fragte Maischberger, ob fortan der türkische Präsident Recep Erdogan nun den politischen Kurs der Kanzlerin diktiert. Darüber diskutierten mit ihr:
Ulrich Kienzle, Nahostexperte, sagt, Merkel habe geholfen, die Staatsaffäre zu kreieren.
Jürgen Trittin, Bündnis 90/Grüne (ehemaliger Bundesminister), glaubt, Erdogan nehme die Bundesrepublik nicht ernst.
Stephan Mayer, CSU (Innenpolitischer Sprecher Unionsfraktion), sieht hier die Judikative in der Verantwortung.
Idil Baydar, Kabarettistin, begrüßt die Debatte um die Presse- und Kunstfreiheit.
Ralf Höcker, Medienanwalt, behauptet, es ginge eigentlich nicht um Erdogan.
Ozan Ceyhun, AKP-Politiker (Erdogan-Berater), fühlt sich persönlich von den Äußerungen angegriffen.
Die Bundeskanzlerin muss sich gegenüber dem türkischen Staatsoberhaupt behaupten. Darin waren sich die Gäste zu Anfang schnell einig. In welcher Form allerdings löste eine erhitzte Diskussion aus. Stephan Mayer war der Auffassung, Merkel müsse gegenüber Erdogan die Wertigkeit des Rechtsstaates demonstrieren. Nicht die Exekutive, sondern die Judikative habe in diesem Fall zu entscheiden.
Jürgen Trittin dagegen vertrat die Meinung, mit den zivil- und strafrechtlichen Klagen sei es getan, die Klage wegen Majestätsbeleidigung sei prädemokratisch und übertrieben. Durch ihre Entscheidung habe die Kanzlerin dem Präsidenten nun aber ein besonderes Schutzbedürfnis zugesprochen.
Paragraph schützt außenpolitische Beziehungen
Dem widersprach Medienanwalt Ralf Höcker vehement. Paragraph 103, die Grundlage der Klage, schütze nicht ein ausländisches Staatsoberhaupt - sondern die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland. Das Schmähgedicht Böhmermanns habe die Beziehung zur Türkei belastet und daher sei die Entscheidung der Kanzlerin richtig gewesen.
Anwalt geht von Verurteilung Böhmermanns aus
Kabarettistin Idil Baydar sah in dem Gedicht einen Angriff auf die gesamte türkische Bevölkerung. Immer wieder betonte sie, Böhmermanns Worte seien eine Zusammenfassung des alltäglichen Rassismus in Deutschland. Jedoch sei es wichtig gewesen, die Debatte um Pressefreiheit anzukurbeln, sei der künstlerische Freiraum doch notwendig, um den Weg zur politischen Korrektheit zu finden. Höcker hielt dagegen: „Ja, das war Satire. Aber Satire darf eben nicht alles“, positionierte er sich ganz klar. Das „Übermaß“ an Beleidigungen wird Böhmermann auch eine Verurteilung einbringen, schloss der Jurist seinen Kommentar.
Gedicht wird bei Maischberger zitiert
Die Böhmermann-Affäre sei ein großes Thema in der Öffentlichkeit, ohne das ein Großteil der Öffentlichkeit das Gedicht überhaupt gehört habe, kommentierte Sandra Maischberger. Kurzerhand zitierte man also das Gedicht und die vorangegangene Moderation aus Böhmermanns Sendung. Ein rebellischer Akt seitens der Redaktion, der in den sozialen Netzwerken begrüßt wurde.
Erst zurückhaltend, später jedoch als leidenschaftlicher Verfechter Erdogans hatte Ozan Ceyhun einen großen Redeanteil in der Runde. Mit lobenden Worten für die Politik des türkischen Präsidenten redete er sich im Verlauf mehr und mehr in Rage und ließ sich schließlich zu dem Kommentar hinreißen: „Die Türkei hat kein Problem mit Pressefreiheit.“ Nicht ein einziger Journalist sitze momentan in der Türkei in Haft, betonte er. Diejenigen, die man festgenommen habe, hätten Verbindungen zu terroristischen Organisationen.
Auf Nachfrage erklärte er, auch ARD-Korrespondent Volker Schwenck, dem am Dienstag die Einreise in die Türkei verweigert hatte, habe eben solche Verbindungen.
Nahost-Experte Ulrich Kienzle ging die Sache etwas ruhiger an. Für ihn war klar, der Konflikt sei vor allem dessen geschuldet, dass Erdogan nicht ganz zurechnungsfähig sei: „Der Mann ist ein Fall für die Psychiatrie.“ Auf die eigentliche Frage des Abends fanden die Gäste aber auch noch eine Antwort: Mayer sieht Deutschland nicht als erpressbar, schließlich sei die Türkei auch von der Bundesregierung abhängig. Trittin sieht die Handlungsfreiheit der Kanzlerin nun extrem eingeschränkt. Auch Kienzle schätzt Merkel in der Beziehung zur Türkei nicht mehr als voll handlungsfähig ein.