Berühmte zweite Geigen Elefant, Andrack und Co.: Wie wird man ein guter Sidekick?
Immer dabei, nicht immer im Rampenlicht: Sidekicks sind die oft unterschätzten Stars einer Geschichte. Wie beherrscht man die Kunst, in der zweiten Reihe zu stehen? Es gibt Anlass, das zu ergründen.
Köln - Der Elefant aus der „Sendung mit der Maus“ ist gerade 50 Jahre alt geworden, was vielen Beobachtern - und nicht zuletzt seinem Arbeitgeber - Anlass ist, seine Leistungen zu würdigen. „Der wohl bekannteste kleine Elefant Deutschlands hat Geburtstag!“, juchzt der Westdeutsche Rundfunk (WDR) zum Jubiläum am 5. Januar. Die neue WDR-Intendantin Katrin Vernau, kaum im Amt, ließ es sich nicht nehmen, als eine der Ersten zu gratulieren. Dem Knirps ist damit etwas vergönnt, was vielen seiner Berufskollegen meist nicht zuteilwird: ein Moment ungeteilter Aufmerksamkeit.
Denn, Achtung, These: Die Karriere des kleinen Elefanten erzählt viel darüber, wie wichtig Sidekicks in unserer Kultur sind. Das sind jene oft zu selten besungenen Helden, die im Schatten eines großen Namens treu ihr Werk verrichten - und die Hauptfigur dadurch umso mehr strahlen lassen.
Beispiele für derartig wichtige zweite Geigen gibt es genügend, man muss nur hinsehen - und das Dienstjubiläum des Elefanten ist ein guter Anlass, die Scheinwerfer auf sie zu richten. Was wäre Batman ohne Robin? Womöglich nur ein latent deprimierter Mann mit Fledermaus-Kostüm in der Midlife-Crisis. Und was Sherlock Holmes ohne Dr. Watson? Ein blitzgescheiter, aber weit entrückter Wunderling. Man könnte die Liste endlos fortführen, von Chewbacca („Star Wars“) bis Sancho Panza („Don Quijote“).
Jeder braucht einen Willi
Auch im deutschen Kulturraum haben Sidekicks eine lange Tradition. Wie wichtig sie offenkundig sind, wird an der „Biene Maja“-Serie deutlich, in der viele Geschichten ohne den näselnden und etwas begriffsstutzigen Maja-Kumpel Willi nur halb so unterhaltsam wären. Das Interessante: Die Figur kommt in der Buchvorlage (die zugegebenermaßen etwas in Vergessenheit geraten ist) gar nicht vor. Für die Fernsehabenteuer brauchte es aber einen Willi.
Was macht also einen guten Sidekick aus? Der Elefant und Willi geben keine Interviews. Heinz Eckner, der treue Sketch-Partner von Rudi Carrell („Am laufenden Band“), ist 2012 gestorben. Bei der Suche nach einem fachkundigen Insider landet man daher schnurstracks bei Manuel Andrack, dem jahrelangen Sparringspartner von Harald Schmidt („Die Harald Schmidt Show“). Er steht in der großen Tradition des Sidekicks in Late-Night-Shows. Mittlerweile betreibt er einen Podcast über die Zeit im Schmidt-Kosmos („About Schmidt Show“). Dort wird er als „Sidekick-Legende“ vorgestellt. Der Mann muss etwas wissen.
Andrack ist auch gar nicht böse, mit einem kleinen Elefanten verglichen zu werden. „Das A und O ist, dass der Sidekick beiseite bleibt“, erklärt er am Telefon. Ein Sidekick sei nur dann gut, wenn er sich auch zurücknehmen könne. „Er muss seine Rolle annehmen, und das auch geil finden, dass er eben ein bisschen am Rand sitzt und kleiner wirkt.“ Andrack glaubt, dass die von Hardcore-Fans am liebsten für immer vergessene Show, die Schmidt zeitweilig mit Oliver Pocher machte („Schmidt & Pocher“) genau daran krankte. „Da waren die Rollen unklar verteilt“, sagt Andrack. „Es gab gar keinen Sidekick, sondern einen Co-Moderator.“
Manuel Andrack und der schlaue Schmidt
Andrack bespielte dagegen eindeutig die Nebenrolle. Die Auswirkungen seines Tuns merkt er bis heute. Wenn ihm Menschen begegnen, die ihn aus der „Harald Schmidt Show“ kennen, sind diese manchmal von seiner wahren Körpergröße überrascht. Er wirkte in der Sendung einfach deutlich kleiner, da er meist am Rand an einem spröden Tisch mit Bürokraten-Look saß, während Schmidt in der Mitte am schweren Chef-Schreibtisch thronte.
Schmidt habe damals einfach einen „Ansprechpartner“ haben wollen, erinnert sich Andrack. Also habe man sondiert. „Leute, die sehr selbstbewusst nach außen aufgetreten sind und die Haltung hatten "Was der Schmidt kann, kann ich auch", wurden ausgeschlossen.“
„Es geht auch um den Kontrast“, erklärt Andrack. Da sehe er sich durchaus in einer Linie mit dem Elefanten. „Klassisch wurde der Elefant ja eingesetzt, um zu zeigen, wie schlau die Maus ist“, erläutert er. Die Maus könne jedes Problem lösen, etwa mit ihren Schnurrbarthaaren, die sie schnell zu seinem Propeller umknete. „Der Elefant war nie ganz so schlau wie die Maus“, sagt Andrack.
Ähnliches gelte für Dr. Watson bei Sherlock Holmes. „Es wird klar signalisiert: Niemals hätte ein Dr. Watson die Fähigkeiten von Sherlock Holmes oder der Elefant die Fähigkeiten der Maus“, sagt Andrack. „Oder ein Manuel Andrack die Fähigkeiten von Harald Schmidt.“
Die Hauptfigur strahlt noch heller
Der Sidekick lässt die Hauptfigur in ihrer Brillanz noch etwas greller leuchten. Zugleich ergänzt sie den Star um Fähigkeiten, die er selbst nicht besitzt. Der Elefant ist verspielter als die Maus, ihm geht alles Streberhafte ab. Andrack brachte in das Zusammenspiel mit dem humanistisch gebildeten Alleswisser Schmidt eine gewisse Erdigkeit. Er trank Bier und sprach über Fußball.
Eine dritte Funktion: Sidekicks übernehmen eine Stellvertreterrolle für das Publikum. Vereinfacht gesagt: Wenn Andrack lachte, wusste man vor dem Fernseher, dass Schmidt - den man manchmal auch schlaftrunken zu später Stunde verfolgte - wohl gerade einen guten Witz gemacht hatte.
Die „Harald Schmidt Show“ ist mittlerweile Geschichte. Der Elefant allerdings hat ein eigenes Neben-Format - „Die Sendung mit dem Elefanten“. Er bekam sie 2007 - nach 32 Jahren an der Seite der Maus. Wer seine eigene Rolle überschätzt, hätte nie so lange durchgehalten.