Auf Netflix in den USA Dieter Nuhr läuft in den USA auf netflix

Halle (Saale) - Dieter Nuhr (56) gehört zu Deutschlands beliebtesten Kabarettisten und Comedians. Nun betritt der Entertainer Neuland. Ab Dienstag wird der weltweit größte Streamingdienst Netflix das eigens zu diesem Zweck zusammengestellte Programm „Nuhr in Berlin“ exklusiv und weltweit verbreiten, wobei verschiedene Untertitel-Versionen verfügbar sein werden. Endlich können sich Freunde der gepflegten Satire selbst in den entlegensten Winkeln der Erde ein Bild vom Humor „Made in Germany“ und den deutschen Befindlichkeiten 2016 verschaffen. Mit Dieter Nuhr sprach André Wesche.
Herr Nuhr, ist der deutsche Humor wirklich exportfähig?
Nuhr: Selbstverständlich. Wir sind Exportweltmeister, bisher hauptsächlich auf Basis von Pumpentechnik und Auto-Elektronik, aber unsere Ingenieure arbeiten bereits an der Automatisierung von Witzen. Das wird uns ganz weit nach vorne bringen.
Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie Ihr Programm für Netflix zusammengestellt?
Nuhr: Nach meinem Geschmack. Ich habe da einen ziemlich diktatorischen Ansatz: Was mir gefällt, muss auch den anderen gefallen. Allerdings verzichte ich in der Folge auf die gewaltsame Einforderung von Lachern und Appläusen. Das macht mich dann wieder zum lupenreinen Demokraten.
Haben Sie künstlerische Freiheit genossen oder wurde Ihnen nahegelegt, nicht zu böse zu sein?
Nuhr: Also so wenig hat noch nie jemand mitreden wollen. Die Leute bei Netflix haben im Prinzip ein klares Konzept vorgelegt: Mach, was du willst. Das habe ich getan.
Welche sind die größten Herausforderungen der Stand-up-Comedy?
Nuhr: Das Stehen, aber ich bin ja noch jung. Und die Comedy. Das heißt: Wenn keiner lacht, ist es schlecht. Gott sei Dank war ich in meinem Berufsleben immer lächerlich genug. Da habe ich Glück gehabt!
Verzeichnen Sie auf Ihren Tourneen ein regional unterschiedliches Humorverständnis?
Nuhr: Ehrlich gesagt: Nein. Der Bayer ist ja auch genetisch zu 99 Prozent mit dem Sachsen identisch, auch wenn er das vielleicht nicht hören will. Insofern wundert mich das nicht.
Bringen Sie von Ihren Auslandsreisen auch Humor-Inspirationen mit?
Nuhr: Die vielen Auslandsreisen lassen mich mit Distanz auf die eigene Umwelt blicken. Und eine gewisse Distanz hilft ja immer bei der Erkennung von Absurditäten. In Deutschland wird ja gerne gejammert und Selbstmitleid gepflegt. Das ist, wenn man gerade aus Bolivien wiederkommt, eher verwunderlich.
Freuen Sie sich darauf, dank Netflix Hass- und Drohbriefe nun endlich auch in vielen verschiedenen Sprachen zu bekommen?
Nuhr: Selbstverständlich. Ich denke, dass sich hier die Bandbreite erweitern wird. Aber im Grunde bin ich ja ein sehr verträglicher Mensch. Mein Ziel ist eigentlich eher Liebe als Hass.
Sie legen Ihren Finger furchtlos in jede Wunde, auch – jedwede – Religion ist kein Tabu für Sie. Wie würden Sie weniger mutige Zeitgenossen dazu motivieren, den Mund aufzumachen?
Nuhr: Ich will da niemanden ermutigen. Ich rege bloß zum Mitdenken an. Bei genauem Hinschauen sollte jedem klar sein, dass es kein besonderes Zeichen von Intelligenz ist, wenn man sich in die Luft sprengt, weil im siebten Jahrhundert jemand eine Stimme gehört hat, von der er meinte, sie sei von Gott.
Hand aufs Herz: Hatten Sie nie Angst vor Irren?
Nuhr: Ich habe immer Angst vor Irren. Ich habe eigentlich ausschließlich Angst vor Irren. Die Normalen sind ja auf meiner Seite.
Welcher war Ihr schlimmster Live-Auftritt aller Zeiten?
Nuhr: Bei meiner Geburt war der Auftritt zwar spektakulär, aber das ganze Geschrei und Geheul war mir am Ende doch zuwider. Ich habe in der Schülertheatergruppe in einem Westernmusical gesungen, da hoffe ich auch, dass es im Gedächtnis der Anwesenden getilgt wurde. Alle Auftritte mit Verkleidung waren im Nachhinein eher peinlich.
Sie sind derzeit in den Medien omnipräsent. Wann würde Sie das Gefühl beschleichen, besser einen Gang zurückzuschalten?
Nuhr: Ein Herzinfarkt könnte mich ernsthaft zum Nachdenken bringen. Aber ich bin ganz sportlich. Ruhepuls in der Nacht gerne mal 49. Ich ruh’ mich dann aus, wenn ich tot bin.
Haben Comedians und Kabarettisten ein ähnliches Verfallsdatum wie etwa Topmodels oder Spitzensportler?
Nuhr: Sicher. Mit 108 ist Schluss. (mz)