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Dienst im "Kalten Krieg" Dienst im "Kalten Krieg": HVA - die elitäre Einheit der Stasi

Von Jutta Schütz 28.11.2019, 10:42
Markus Wolf, Chef der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) der DDR-Staatssicherheit, und sein Vorgesetzter Erich Mielke in einer Szene der Dokumentation „Inside HVA - Ein deutscher Dienst im Kalten Krieg“.
Markus Wolf, Chef der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) der DDR-Staatssicherheit, und sein Vorgesetzter Erich Mielke in einer Szene der Dokumentation „Inside HVA - Ein deutscher Dienst im Kalten Krieg“. rbb/ARD/BStU

Berlin - Die Spitzenquelle der Stasi lieferte zuverlässig aus Bonn nach Ost-Berlin. „Charly“ schmuggelte Informationen über Waffensysteme der Bundeswehr und Einsatzpläne an die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) der DDR-Staatssicherheit. Es waren wohl mehr als 1000 Dokumente. Er habe auch verfilmte Papiere in präparierten Walnüssen in der Weihnachtszeit zu seinen Auftraggebern geschickt, berichtet der Mann in der RBB-Dokumentation „Inside HVA - Ein deutscher Dienst im Kalten Krieg“. Auch in Münzen, Feuerzeugen oder Schlüsseln gelangten geheime Nachrichten in die DDR.

Der erste Teil dieses interessanten Berichts mit vielen Interviews und Fakten ist am Montag (2. Dezember, 23.45 Uhr) im Ersten zu sehen. Der zweite Teil wird am 9. Dezember (23.30 Uhr) gesendet. Jahrelange Recherchen machten nun die Innensicht aus einer bis heute teilweise verriegelten Welt möglich, kündigte der RBB an.

„Charly“ war einer von etwa 2000 aktiven Spionen, die die HVA weltweit im Einsatz hatte, heißt es in dem Film von Daniel und Jürgen Ast. Der Spion flog aber mit seiner Frau - Sekretärin im Verteidigungsministerium - auf. Er wurde in der Bundesrepublik verurteilt und saß dort mehr als zehn Jahre in Haft, bevor er 1987 von der DDR ausgetauscht und zurückgeholt wurde.

Deckname „Schwan“: DDR-Kundschafterin äußert sich erstmals vor Kamera

Erstmals vor der Kamera äußert sich eine Frau mit früherem Decknamen „der Schwan“. Sie saß wegen Spionage für die DDR 18 Jahre im Gefängnis in den USA. Erst 2015 kam die frühere DDR-Kundschafterin frei, berichtet der Film. „Ich habe alle meine Überzeugungen in einen Korb gelegt, um eine bessere Welt zu schaffen“, legt sie ihre Überzeugung dar.

Die HVA galt als elitäre Einheit des Stasi-Ministeriums, mit knapp 4800 hauptamtlichen und etwa 13.000 Inoffiziellen Mitarbeitern. Von 1952 bis zu seinem Rücktritt 1986 wurde die Truppe von dem eloquenten Markus Wolf geführt. Er war im Westen lange der „Mann ohne Gesicht“ - bis ein „Überläufer“ den Stasi-Spitzenmann 1979 outete. Der Film beleuchtet auch das ambivalente Verhältnis zwischen Wolf (der „Feingeist) und Stasi-Minister Erich Mielke (der „Bauernschlaue“).

Stasi schickte Menschen mir falscher Identität zum „Klassenfeind“

Wolf, der 2009 starb, äußert sich in dem Film in einem Interview auch zu einem der bekanntesten Fälle: dem Kanzler-Spion Günter Guillaume. Dass der einst ganz in die Nähe von Willy Brandt kam, sei anfangs unvorstellbar und nicht geplant gewesen. Doch aus dem Coup wurde eine Schlappe: Die Enttarnung von Guillaume führte 1974 zum Rücktritt von Brandt. Auch andere DDR-Geheimdienstleute in der Bundesrepublik flogen auf. Ein Kapitel deutsch-deutscher Geschichte wird lebendig. 

Es mutet makaber an, wenn Wolf beschreibt, wie die Stasi Menschen mit einer falschen Identität ausstattete, um sie dann zum „Klassenfeind“ zu schicken. So hätten sie ausgedachte Biografien von Verschollenen des Zweiten Weltkrieges bekommen - auch von Menschen, die bei den Bombenangriffen auf Dresden 1945 starben.

Hansjörg Geiger, Chef des Bundesnachrichtendienstes von 1996 bis 1998 umreißt das Ziel der HVA so: „Mir war schon klar, dass es der DDR darum ging, den westdeutschen Staat zu unterminieren, ihn zu schwächen, zu schädigen.“

Daneben kommen auch Historiker und einstige Mitarbeiter des Stasi-Ministeriums zu Wort. „Wir waren Überzeugungstäter“, sagt einer in die Kamera. Disziplin und strikte Verschwiegenheit seien Garanten des Erfolgs gewesen.

Mossad: HVA sei Meister beim Einsatz von Sex für Spionagezwecke

Ein früherer Offizier des israelischen Geheimdienstes Mossad erklärt, die HVA sei ein Meister beim Einsatz von Sex für Spionagezwecke gewesen - „weil Sex genauso funktioniert wie Geld“. West-Spione durchstöberten demnach auch Kontaktanzeigen auf der Suche nach einsamen Frauen mit guten Positionen in Behörden, denn: „Sekretärinnen wissen oft mehr als der Chef“.

Schade, dass bei den vielschichtigen Ansichten von Zeitzeugen nicht auf den ersten Blick klar wird, wann die Gespräche geführt wurden und wer von den Protagonisten bereits tot ist.

Im zweiten Teil der Dokumentation wird laut RBB-Ankündigung beleuchtet, wie die HVA es schaffte, bis tief in die Geheimnisse der Nato vorzudringen und sich nach dem Mauerfall selbst aufzulösen.  (dpa)