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Privatsender sind überholt  Deutscher Comedypreis 2016: Die öffentlich-rechtlichen Sender ziehen am Privatfernsehen vorbei

Von Anne Burgmer 28.10.2016, 09:30
Jury-Präsident Dieter Nuhr wird mal wieder als bester Komiker ausgezeichnet. Beim Comedypreis ist das normal.
Jury-Präsident Dieter Nuhr wird mal wieder als bester Komiker ausgezeichnet. Beim Comedypreis ist das normal. Getty

Köln - Es gab Zeiten, da war die Verleihung des Deutschen Comedypreises ein Heimspiel für die Privatsender. Sat 1 punktete regelmäßig mit Größen wie Anke Engelke und Bastian Pastewka, auch RTL und Pro Sieben konnten sich über Preise freuen. Dass die Vormachtstellung des Privatfernsehens im Humorsektor vorbei ist, konnte man am vergangenen Dienstagabend eindrucksvoll im Coloneum in Köln-Ossendorf bestaunen - der geneigte Fernsehzuschauer dann am Samstagabend auf RTL.

Sat 1 und Pro Sieben gingen komplett leer aus, Gastgeber RTL kann Atze Schröders Preis für das beste Soloprogramm als Erfolg verbuchen, obwohl die Bühnenshow eines Comedians auszustrahlen nichts mit guten eigenen Ideen oder Innovationen zu tun hat. Einen Anteil am Erfolg von Newcomer-Preisträger Chris Tall, der 2013 den „RTL Comedy Grand Prix“ gewann, hat der Kölner Sender noch. Aber das war es dann auch schon.

Die privaten Sender überholt

Die Öffentlich-Rechtlichen haben die Privaten überholt und – setzt man den Comedypreis als Maßstab an – abgehängt. Carolin Kekebus (beste Komikerin) und Dieter Nuhr (bester Komiker, der auch als Jury-Präsident fungiert, was aber niemanden zu stören schien) sind Gesichter der ARD, auch bei den Preisen für Formate konnte sich der Senderverbund freuen.

Für einige Überraschung sorgte die Tatsache, dass „extra 3“ und nicht das „Neo Magazin Royale“, das in diesem Jahr für so viel Wirbel gesorgt hat, als beste Satire-Show ausgezeichnet wurde. Aber nach welchen Kriterien die Jury ihre Preise vergibt, ist sowieso völlig undurchsichtig.

Ansonsten war bei dieser Preisverleihung alles wie immer – und das heißt nichts Gutes. Wenn man das Gefühl hat, man könnte in weiten Teilen auch einfach die Show des vergangenen Jahres zeigen, und es würde niemandem auffallen, dann sagt das eine Menge aus. Es sind immer dieselben Gesichter, die da auf der Bühne stehen. Es sind immer dieselben Preisträger. Wer den Comedypreis als Messlatte dafür nimmt, wie es um den Humor in Deutschland bestellt ist, wird vermutlich in Tränen ausbrechen. Es muss doch mehr geben als Atze Schröder und Mario Barth in diesem Land.

Auch moderator Giermann rettete den Abend nicht

Auch Max Giermann als Moderator trug nicht dazu bei, den Abend zu retten. Der 41-Jährige ist ein großartiger Parodist. Die Einspieler, in denen er Stefan Raab, Sigmar Gabriel, Markus Lanz und Klaus Kinski verkörperte, waren dementsprechend gelungen. Aber seine Moderationen während der Show konnten das Niveau nicht halten. Er wirkte verkrampft und war leider – was auch an den Gagschreibern gelegen haben mag – sehr unlustig. Schade.

Bester Komiker: Dieter Nuhr

Beste Komikerin: Carolin Kebekus

Beste Comedyshow: PussyTerror TV (WDR)

Beste Comedyserie: Der Tatortreiniger (NDR)

Beste Satire-Show: extra3 (NDR)

Bestes TV-Soloprogramm: Atze Schröder live! (RTL)

Beste Stand Up-Show: NightWash (ONE)

Beste Sketch-Show: Sketch History (ZDF)

Beste Innovation: Familie Braun (ZDF)

Erfolgreichster Live-Act: Mario Barth „Männer sind bekloppt, aber sexy“

Bester Newcomer: Chris Tall

Sonderpreis: „Zimmer frei“ (WDR)

Zwei gute Momente hatte der Abend dann aber doch: Als Luke Mockridge, Moderator der vom WDR für den Spartenkanal One produzierten Show „Night Wash“, den Preis für die beste Stand-Up-Show entgegennahm, holte er Knacki Deuser auf die Bühne. Der habe schließlich die Idee für das Format gehabt. Und Deuser schien sich über die Geste zu freuen. Und auch „Zimmer frei“ konnte nach der großen Abschiedsshow noch einmal für Emotionen sorgen. Als Christine Westermann und Götz Alsmann die Bühne betraten, um den Sonderpreis für das WDR-Format entgegenzunehmen, applaudierte das Publikum lange und zeigte in Anlehnung an die Abstimmung in der Show ein Meer von grünen Karten. Ein versöhnlicher Abschluss für einen Abend, der ansonsten ein Witz war.