Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall: Moppi und Pitti haben noch immer viele Fans

Berlin - „Ich begrüße Sie sehr lieb, Herr Fuchs!“, sagt Pitti. Der oft freche Kobold gibt sich große Mühe, freundlich zu sein, und schlägt dann doch wieder über die Stränge: „Willkommen Herr Fuchs, und sei mein Gast. Wenn Du mir was mitgebracht hast!“ Der Fuchs, in leuchtendem Orange und mit Wuschelschwanz, reagiert wie oft ungehalten: „Kreuzspinne und Kreuzschnabel! Es ist zum Aus-der-Haut-fahren!“ Und die Kinder im Saal lachen und jauchzen.
Es ist Frühjahr, 30 Jahre nach dem Mauerfall. In Berlin-Adlershof gibt es ein Wiedersehen mit alten Bekannten aus dem einst dort beheimateten DDR-Fernsehen: Herr Fuchs und Frau Elster, Pittiplatsch und Schnatterinchen, Moppi und Mischka. Sie zählen zu den ganz wenigen Überbleibseln aus dem Fernsehprogramm des sozialistischen deutschen Staats.
Im Saal des kleinen Theaters in einem früheren DDR-Fernsehstudio sitzen viele Vorschulkinder mit ihren Eltern. Eine Familie ist sogar mit vier Generationen vertreten. „Wir Erwachsenen wollten das mal wieder sehen, die Kinder sind nur zur Tarnung dabei“, sagt die Uroma, die samt Tochter, Enkelin und Urenkeln zur Aufführung von „Pitti und seine Freunde“ gekommen ist.
1962 war Pittis erster auftritt - Kinder lieben ihn bis heute
1962 hatte Pittiplatsch seinen ersten TV-Auftritt - beim Sandmännchen, in der Schneiderstube von Meister Nadelöhr. Im „Abendgruß“ des Sandmanns gab es fast drei Jahrzehnte lang aufs Neue Abenteuer und Geschichten, außerdem immer sonntags zur Kaffeezeit.
Das „Sandmännchen“ ist eine von ganz wenigen DDR-Sendungen, die es noch gibt - im KiKa, im RBB und im MDR. Dort sind die in der DDR „geborenen“ Puppen noch immer zu sehen: Die alten Episoden werden wiederholt. Neue Folgen sollen erstmals seit 1991 nun wieder entstehen, wie der RBB ankündigte. 13 neue Geschichten mit Pitti, Schnatterinchen und Moppi seien geplant. Ein Puppenbauer in NRW baut dafür neue Handpuppen.
Seit Jahrzehnten treten die beliebten Protagonisten aber auch außerhalb des Bildschirms auf. „Solange es Pitti gibt, gibt es schon das Puppenspieler-Ensemble und Tourneeprogramme“, berichtet Mario Behnke, der das Ensemble seit dem Mauerfall managt und oft auch Auftritte im Westen Deutschlands bucht. Im Publikum säßen dort oft Erwachsene, die aus der DDR stammen - oder Bürger, die im Westen auch das DDR-Fernsehen geschaut haben.
Puppenbauer stirbt 2009 - Originalstimme ist verstummt
Herz der Truppe war lange der Puppenspieler und -bauer Heinz Schröder, der unter anderem Pitti und Herrn Fuchs seine markante Stimme verlieh. Bis kurz vor seinem Tod 2009 stand er auf der Bühne. „Das Schöne war, dass wir politisch nicht eingeengt waren“, sagte Schröder im Jahr 2008 mit Blick auf DDR-Zeiten. „Man konnte ja einem Fuchs schlecht ein Pionierhalstuch umbinden oder einem Kobold ein Abzeichen für gutes Wissen.“
Schröder habe sich hinter seinen Puppen versteckt und sei sehr scheu gewesen, berichtet Behnke. „Er hatte nicht gerne Kontakt mit dem Publikum und ist nie vor den Vorhang getreten.“ Mit seinem Tod verschwand dann nicht nur Pittis Original-Stimme, sondern auch der einzige Satz Puppen - mit Ausnahme der Ente Schnatterinchen. „Er hatte extra für mich noch eines gebaut“, berichtet Puppenspielerin Bärbel Möllendorf.
Heinz Schröder war über fast 50 Jahre nicht nur Pittiplatschs unverwechselbare Stimme, sondern auch die von Herrn Fuchs, Frau Igel, Bummi-Bär und Brummel, dem weisen Onkel Uhu und von Maulwurf Buddelflink. Bis ins 81. Lebensjahr tingelte der Berliner nach dem Fernseh-Aus durch die Republik, bis er Ende März vor zehn Jahren starb. Ein Nachfolger scheint aber gefunden: Der Erfurter Schauspieler Christian Sengewald, der seit einigen Jahren als Puppenspieler am Theater in Halle engagiert ist, trifft Schröders unnachahmlichen Pitti-Ton genau.
Die 80-Jährige ist zusammen mit Barbara Augustin (79) eine der beiden Schnatterinchen-Stimmen. Beide Frauen arbeiteten einst im DDR-Kinderfernsehen, Möllendorf seit ihrem 18. Lebensjahr. „Mein ganzes Leben ist das Kinderfernsehen“, berichtet sie stolz. Sie war lange Ansagerin fast aller Kindersendungen: „Mein kleiner Sohn war zu Hause und Mutti im Fernsehen.“ Die Arbeitsbedingungen seien damals sehr gut gewesen. „Wir hatten alle Möglichkeiten für die Deko, das Geld für DDR-Kindersendungen war üppig.“
Pittiplatsch und Co überleben das Ende der DDR
Auf den Mauerfall folgte 1991 das Ende des Deutschen Fernsehfunks als Nachfolger des DDR-Fernsehens. „Wir mussten alle gehen und wir haben gerettet, was zu retten ist. Auch die Puppen.“ Und Heinz Schröder, „für mich der größte aller Puppenspieler“, habe gesagt: „Wir machen weiter.“ Dann habe sie gelernt, das Schnatterinchen zu sprechen. „Wenn ich auf der Bühne stehe und die Puppe sehe, vergess' ich alles. Dann bin ich Schnatterinchen.“
Nach Schröders Tod wurden in Dresden neue Puppen für das Ensemble hergestellt. Jede Figur gibt es nur einmal. Und wie lief die Suche nach neuen Pitti-Sprechern? „Unter den Bewerbern waren schreckliche Stimmen“, meint die Puppenspielerin. Schließlich wurden zwei Spieler gefunden. Jede Rolle ist doppelt besetzt.
In der Vorstellung in Adlershof fühlen sich die erwachsenen Zuschauer sofort in ihre Kindheit zurück versetzt - die Puppen-Charaktere haben sich überhaupt nicht verändert. „Frau Augustin und ich passen auf, dass das Naturell der Puppen bewahrt wird“, sagt die 80-Jährige. „Ich will wenigstens noch zwei Jahre mitmachen. Und dann nach Amerika reisen.“ (dpa)