Arme Reiche

15.02.2017, 23:01
Kann sich nicht jeder leisten: Mit Strass-Steinen besetzte Champagner-Flaschen. Foto: Peter Lemper
Kann sich nicht jeder leisten: Mit Strass-Steinen besetzte Champagner-Flaschen. Foto: Peter Lemper DocuVista Filmproduktion/ZDF

Berlin - Vom Tellerwäscher zum Millionär - diesen Traum kann heute kaum noch jemand verwirklichen. Wer schon viel Geld hat, wird es vermehren und vererben, wer wenig hat, wird weiterhin wenig haben.

So ist es in der Regel. Oder kann man Vermögen umverteilen und Ungleichheit vielleicht sogar ganz beseitigen? Darum geht es in der Doku „Arme Reiche”, die am Donnerstag (16. Februar, 20.15 Uhr) auf 3sat zu sehen ist.

Die Reichen werden immer reicher - und immer zahlreicher. Doch was macht der Reichtum mit dem Einzelnen und was mit der Gesellschaft? Die Wissenschaft hat sich bislang wesentlich mehr mit der Armut beschäftigt, doch nun betrachtet sie die Wohlstandsverteilung zunehmend als Ganzes. Lediglich zehn Prozent der Haushalte in Deutschland verfügen über die Hälfte des Privatvermögens.

Eine Million Millionäre und rund 120 Milliardäre gibt es in Deutschland, im Durchschnitt sind sie 59 Jahre alt und überwiegend männlich - so heißt es in der Dokumentation. Thomas Druyen hat an der Wiener Sigmund Freud Privatuniversität den einzigen Lehrstuhl für Vermögenspsychologie gegründet, und er hat fast 500 Multimillionäre und Milliardäre in Deutschland interviewt, deren Netto-Vermögen durchschnittlich 2,3 Millionen Euro beträgt.

„Ich würde schon sagen, dass großer Reichtum ein Angriff auf den Charakter ist. Also man muss wahnsinnig charakterfest und stark sein”, sagt er im Film. „Die mediale Seite des Reichtums im Sinne von Inszenierung hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun, denn da entsteht der Eindruck eines nie aufhörenden Festes. Hinter den Kulissen des Reichtums sieht es tatsächlich anders aus, differenzierter.”

Druyen will daher wissen, wie sehr das Geld diese Menschen verändert. Auf der Millionärsmesse in Amsterdam könnte er einen Strampelanzug mit Diamantknöpfen für 15 000 Euro kaufen - ein Schnäppchen für jemanden, der ansonsten schon alles hat. Die Unternehmerin Marie-Christine Ostermann hingegen lebt vornehmlich für ihren Betrieb, zeigt, dass sich harte Arbeit auszahlt. Die Millionenerbin Kirsten Schubert erzählt, dass sie im Laufe ihres Lebens misstrauischer geworden sei: „Ich überlege mir schon, mit wem ich in Kontakt trete, und wem ich wirklich vertrauen kann.”

Viele schwerreiche Menschen zeigen daher ihren Reichtum nicht offen, weil es ihnen fast peinlich ist, und geben sich nach außen bescheiden. Zudem werden einige von ihnen von Verlustängsten gequält, hinzu kommt die Angst vor Verbrechen wie Einbruch, Entführung oder Erpressung. Man ahnte es schon: Geld macht nicht glücklich, und schlimmstenfalls auch noch einsam.

Andererseits hat die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam im Januar ihren jährlichen Ungleichheitsbericht vorgelegt. Die Zahlen für das Jahr 2016 sind deutlich: Die acht Reichsten der Welt kommen demnach auf Besitztümer im Gesamtwert von 426 Milliarden Dollar, während die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung - 3,6 Milliarden Menschen - gemeinsam lediglich 409 Milliarden Dollar zur Verfügung hat. Die Berechnungsmethoden von Oxfam werden allerdings kritisiert.

Die Organisation schlägt einen weltweiten Mindeststeuersatz für Konzerne vor, die Schließung von Steueroasen, Transparenz bei Gewinnen und Steuerzahlungen internationaler Konzerne sowie Steuern auf sehr hohe Einkommen und Vermögen.

Der Film von Franca Leyendecker und Daniela Hoyer ist fundiert recherchiert und bietet viele Daten und Zahlen. Als kleine Auflockerung werden immer wieder vornehm gekleidete Barbiepuppen eingeblendet, die vor einem Haufen von Goldbarren sitzen. Auch der Besuch in einer Privatklinik für Schwerreiche darf nicht fehlen. Auch die Steuervorteile für Stiftungen werden kritisch beleuchtet, weil dort gerne viel Geld geparkt wird.

Die Autoren gelangen zu dem Schluss, dass vielen Menschen Altersarmut drohe und der Gesellschaftsvertrag auf Dauer so nicht mehr funktionieren könne. Sie fordern Strukturen für echte Chancengleichheit und gleiche Startbedingungen für alle. Aber das dürfte sich wohl nicht so schnell umsetzen lassen. (dpa)