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ARD-Themenabend über sexuelle Nötigung ARD zeigt Themenabend über sexuelle Nötigung

Von Anne Burgmer 08.11.2017, 12:06
Gleich an ihrem ersten Arbeitstag muss Judith Lorenz (Ursula Strauss) Volker Lehmanns (Hannes Jaenicke) Sprüche ertragen.
Gleich an ihrem ersten Arbeitstag muss Judith Lorenz (Ursula Strauss) Volker Lehmanns (Hannes Jaenicke) Sprüche ertragen. ARD

Köln - Volker Lehmann (Hannes Jaenicke) ist ein unangenehmer Typ. Einer, der durch sexistische Sprüche und Alphamännchen-Gehabe auffällt. Als die neue Kollegin im Gesundheitsamt der Stadt Hannover, Judith Lorenz (überzeugend: Ursula Strauss), über Rückenschmerzen nach ihrem Umzug klagt, sagt er mit Blick in ihr Dekolleté: „Sie tragen ja ohnehin recht schwer. Ich stehe gerne unterstützend zur Seite.“

Doch Lorenz lässt ihn selbstbewusst abblitzen, was Andrea Bredow (Valerie Niehaus), die Lehmanns Gebaren zu ignorieren versucht, mit Bewunderung sieht. Doch kurze Zeit später erzählt Judith ihrer neuen Freundin, dass Lehmann sie vergewaltigt habe. Andrea ist entsetzt und rät ihr, den Kollegen anzuzeigen.

Als die ARD ihren Themenabend „Sexuelle Nötigung, Lügen und Vorurteile“ plante, war der Fall Harvey Weinstein mit all seinen Weiterungen noch nicht abzusehen. Nun wird die wieder aufgeflammte Debatte über Sexismus dem Drama „Meine fremde Freundin“ sicherlich einige Aufmerksamkeit bescheren. Das dürfte der ARD gefallen, gleichzeitig besteht die Gefahr, dass der Film von Regisseur Stefan Krohmer als ein Statement verstanden wird, das er gar nicht sein soll. Denn die Drehbuchautoren Katrin Bühlig und Daniel Nocke haben sich erlaubt, einen schwierigen Film über ein schwieriges Thema zu schreiben.

ARD-Zuschauer müssen selbst entscheiden, wem sie glauben

Schwierig deshalb, weil die Zuschauer ihre eigenen Wertungen immer wieder hinterfragen müssen. Was wirklich in dem Aktenraum zwischen Lehmann und Lorenz passierte, wird nicht gezeigt. Der Film erzählt seine Geschichte konsequent aus Sicht von Andrea, die stellvertretend für den Zuschauer die Entscheidung treffen muss, wem sie glaubt, denn Lehmann bestreitet die Tat. Allerdings hat er keine besonders guten Karten, die Rollenverteilung wirkt klar. Ihm traut man aufgrund seiner Sprüche, seiner cholerischen Art und seines aggressiven Auftretens eine solche Tat durchaus zu.

Doch schon vor seiner Verurteilung kommen Andrea erste Zweifel. Judith erzählt gerne von den vielen Schicksalsschlägen, die sie erdulden musste, doch sie verstrickt sich dabei häufig in Widersprüche, über die Andrea irgendwann nicht mehr hinwegsehen kann. Denn hinter allem steht die eine große Frage: Wenn sie in anderen Geschichten lügt, gilt das dann auch für die Vergewaltigung?

Es ist genau diese Wendung, die den Film angreifbar macht. Kritiker werden ihm vorwerfen, durch die Fokussierung auf einen solchen Ausnahmefall, in dem eine Frau einen Mann fälschlicherweise beschuldigt, von wahren Opfern abzulenken und betroffene Frauen zu entmutigen. Doch damit würde man dem Film unrecht tun. Weder eine Vergewaltigung noch alltäglicher Sexismus werden hier verharmlost, doch es wird deutlich, wie schwierig es ist, in solchen Fällen, in denen Täter und Opfer eben in der Regel allein sind, herauszufinden, was wirklich geschehen ist.

„Meine fremde Freundin“, ARD, Mittwoch 20.15 Uhr, im Anschluss „Maischberger“ ab 21.45 Uhr