"Anne Will" "Anne Will": Markus Söder erstickt Diskussion über Angela Merkels Flüchtlingspolitik im Keim

Berlin - Es ist hilfreich, sich vor einem Gespräch über die Voraussetzungen der Diskussion zu verständigen. Wird beispielsweise über die Behauptung geredet, „Deutschland wird Deutschland bleiben", ein Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), wäre es schön zu erfahren, was unter „Deutschland" eigentlich zu verstehen ist.
Aber über nichts wurde, trotz des Titels, in der Sendung von Anne Will am Sonntagabend weniger gesprochen. Es ging ausschließlich um die Frage, ob die von Angela Merkel favorisierte Flüchtlingspolitik eher zustimmend oder tendenziell ablehnend zu betrachten ist. Das war schon deshalb enttäuschend, weil einige Teilnehmer der Talkshow durchaus Erhellendes zu dem vermeintlichen Thema zu sagen gehabt hätten.
Jagoda Marinic kommt nicht zu Wort
Das gilt vor allem für die Schriftstellerin Jagoda Marinic, die das Kulturprogramm des bundesweit ersten International Welcome Centers in Heidelberg leitet. Marinic, Tochter kroatischer Eltern, in Deutschland geboren und aufgewachsen, hat sich in ihrem jüngst erschienenen Buch „Made in Germany" erhellend mit dem Problem der Einwanderer aus drei Generationen in Deutschland befasst und der deutschen Gesellschaft einen trüben Blick auf die Zuwanderung bescheinigt.
Darüber hätte sich reden lassen, aber Marinic kam kaum zu Wort. Gesprochen wurde nur von den üblichen Verdächtigen über Obergrenzen und über grundgesetzliche Schranken beziehungsweise Möglichkeiten, die Flüchtlingszahlen zu begrenzen.
Stegner: Keine Obergrenze für Humanität
Der bayerische Lautsprecher und Finanzminister Markus Söder (CSU) verwies pflichtgemäß auf die Stimmung der Bevölkerung, die eine restriktivere Flüchtlingspolitik nahe lage. Demgegenüber behauptete der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Ralf Stegner, für die Humanität gebe es keine Obergrenze, vielmehr müssten die Flüchtlinge „solidarisch" innerhalb Europas verteilt werden.
An dieser Stelle hätte der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt interessant sein können, der nicht nur vor zwei Jahren die Deutschen aufgefordert hat, Flüchtlinge aufzunehmen, sondern seit vergangenen Jahr zwei junge Männer aus Eritrea in seinem Haus wohnen lässt und auf diese Weise, zeigt, wie Deutschland „Deutschland bleiben" kann. Denn die Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge ist in Deutschland ungebrochen, die Überzeugung, dass Flüchtlinge als Menschen mit gleichen Rechten anzusehen seien, trotz der Erfolge der AfD die herrschende Meinung.
Aber auch Patzelt kam gegen seinen Unionskollegen Söder kaum zu Wort. Auch das, so viel wurde in der Talkshow deutlich, ist und bleibt Deutschland: Es kann über alles geredet werden, nur nicht über das Wesentliche.