Alarm am Aasee - Bei Dreharbeiten zum Münster-"Tatort"

Münster - Als es am Aasee in Münster langsam dunkel wird, geht die Arbeit für Axel Prahl, Claus D. Clausnitzer und den Rest der Tatort-Crew erst los. Bis 4 Uhr muss bei dem Nachtdreh alles im Kasten sein.
Dass am Ufer etwas im Gange ist, sehen viele Münsteraner auf den ersten Blick: Aus den Giant Pool Balls, drei großen Billardkugeln am Aasee, sind plötzlich vier geworden. Das Kunstwerk stammt aus dem Jahr 1977 und ist ein Wahrzeichen der Stadt in Westfalen. Das Gelände ist mit rot-weißem Band abgesperrt. Innerhalb der Absperrung steht die vielleicht 40 Mann starke Crew mit Kameras und Tonangeln. Außerhalb haben sich mehr als 100 Schaulustige versammelt, um bei den Dreharbeiten zuzusehen.
„Die Atmosphäre ist faszinierend”, sagt die Studentin Birthe (24), eine der Schaulustigen. Seit kurzem wird in Münster der neue „Tatort” „Gott ist auch nur ein Mensch” gedreht. Kommissar Thiel und Prof. Boerne ermitteln in der Kunstwelt. Kurz vor der Eröffnung der internationalen Skulptur-Tage sorgt das Werk eines Aktionskünstlers für Aufsehen: Der vermeintliche Clown auf dem Rathausplatz ist eine Leiche. Kommissar Thiel (Axel Prahl) findet heraus, dass es sich bei dem Toten um einen früheren Münsteraner Stadtrat handelt. Aber bevor der erste Tod aufgeklärt werden kann, gibt es schon eine weitere Leiche.
Seit mittlerweile 15 Jahren ermitteln Boerne und Thiel zusammen. Den letzten „Tatort” aus Münster sahen rund 14 Millionen Menschen - kein anderes Team erreicht solche Werte. Dabei kam der Tatort ursprünglich auch aus Proporzgründen nach Münster. Nachdem es mit Köln einen „Tatort” bereits im Rheinland gab, sollte es auch in Westfalen einen geben.
Was so kühl überlegt begann, wird von den meisten Fernsehzuschauern gemocht und von vielen geliebt. Die Wortgefechte zwischen dem schnöseligen Prof. Boerne (Jan Josef Liefers) und seiner Kollegin Alberich (Christine Urspruch) sind Kult, Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und seinen kiffenden Vadder (Claus D. Clausnitzer) kennt fast jeder. Auch Thiels Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) und die Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Grossmann) haben ihre Fan-Gemeinde.
Das Erfolgsrezept sei der Humor, sagt der Schauspieler Axel Prahl am Rande der Dreharbeiten der Deutschen Presse-Agentur. Die Menschen wollten am Sonntagabend vor allem unterhalten werden. „Das ist diese Konstellation an Schauspielern”, glaubt Claus D. Clausnitzer. „Prahl und Liefers ergänzen sich wahnsinnig gut. Das ist ein Glücksfall.”
Ein Glücksfall auch für die Stadt: „Der „Tatort” hat die Bekanntheit im deutschsprachigen Raum enorm erhöht. Viele haben Münster so zum ersten Mal wahrgenommen. Und für nicht wenige ist das ein Anlass, die Stadt zu besuchen”, erklärt der Oberbürgermeister Markus Lewe.
Mittlerweile bieten fast alle Stadtführungsveranstalter in Münster Touren auf den Spuren von Boerne und Thiel an. „Wir haben die „Tatort”-Tour mittlerweile 3000 Mal gemacht”, erzählt Julia Hülsmann von Stattreisen Münster. 36 000 Menschen haben daran teilgenommen, schätzt sie.
Aber es sind nicht nur Touristen, die den „Tatort” lieben. Einmal im Jahr gibt es eine öffentliche Filmvorführung. „Die ist binnen Stunden ausverkauft”, sagt Nicola Ebel vom Filmservice Münster.
Doch was ist es, was die Münsteraner an ihrem „Tatort” so mögen? Ein Teil des Charmes macht sicherlich aus, die eigene Stadt im Film zu sehen. Doch vielleicht liegt es auch an den Charakteren: Sind Prof. Boerne und der kiffende Vadder so bunt, wie es die Stadt gerne wäre?
Um kurz vor Mitternacht ist es stockdunkel am Aasee, nur die vier Giant Pool Balls werden von den Flutlichtern in gleißendes Licht getaucht. Immer wieder spielen Prahl, Kempter und Clausnitzer eine Szene durch. Am Rand harren geduldig einige Zuschauer aus. Einer ruft Clausnitzer hinterher: „Vadder!” Als wäre Clausnitzer ein alter Bekannter von ihnen. Er dreht sich dann um und grüßt. Denn irgendwie stimmt es ja auch - man kennt sich halt. (dpa)