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TV-Tipp "Kuttner plus Zwei" TV-Tipp "Kuttner plus Zwei": Saure Gürkchen und süße Langeweile bei Sarah Kuttner

Von Martin Weber 25.02.2015, 12:50
Antoine Monot Jr. und Bettina Wulff zu Gast bei „Kuttner plus Zwei“
Antoine Monot Jr. und Bettina Wulff zu Gast bei „Kuttner plus Zwei“ ZDF/Holger Dauer Lizenz

Köln - Ob man in diesem Zusammenhang von einem Konzept sprechen sollte, ist immer noch nicht geklärt. Unterstellt man ein solches aber, dann geht es so: Es klingelt an der Wohnungstür. Die Moderatorin einer Talkshow öffnet ihren Gästen, die sie, obwohl sie nur sehr vorübergehend und ausschließlich beruflich mit ihnen zu tun hat, überschwänglich begrüßt. Umarmungen, womöglich gar Küsschen hier und Küsschen da, so inflationäres wie gegenseitiges Honig-um-den-Bart-schmieren. „Schön, dass ihr da seid! Und: „Ui, vielen Dank für die Einladung!“ Gekicher, Gegiggel, Hihihi und Gnihihi.

Nach dem Ablegen der Garderobe geht’s ohne Umweg an den Esstisch. Links die Gastgeberin, rechts die zwei Gäste. Gesichtsbekannte (wenn’s noch besser läuft gar prominente) Menschen in einer völlig gesichtslosen Küche. Die Einrichtung soll als reale Einrichtung der Gastgeberin (Kreuzberger Altbauwohnung, so viel Hipness muss sein) durchgehen, ist aber de facto so echt und wahrhaftig wie das musikalische Gesamtwerk von Dieter Bohlen.

Die Anrichte, der Kühlschrank, der schöne Holztisch: alles dann doch nur Teil einer Showküche. Wohnst du noch oder geht das im heimischen Fake-Ambiente mit dem Reden schon los? Letzteres.

Wulff holt sich ein Kissen

Wilkommen bei „Kuttner plus Zwei“ (Donnerstag, 22.45 Uhr, ZDFneo, 22.45 Uhr), zweite Staffel, erste Folge. Zu Gast bei Sarah Kuttner: Bettina Wulff, Ex-Bundespräsidenten-Gattin, getrennt lebend aber nicht geschieden, jüngste Ex-First Lady aller bundesrepublikanischen Zeiten. Außerdem: Antoine Monot, Jr.. Von Beruf Schauspieler, unvergessen seine Performance als Walter in „Absolute Giganten“, seit dem künstlerischen Durchbruch Ende der 90er etliche Kino- und Fernsehfilme, seit 2013 extrem präsent als Werbefigur des Technikmarkt-Kette „Saturn“; dort verkörpert Monot den Verkäufer „Tech-Nick“.

Soweit die Eckdaten, es folgen die Details. „Ihr sollt was trinken wollen“, sagt Sarah Kuttner als höfliche Gastgeberin, und nachdem die Getränkefrage geklärt und jeder das gewünschte vor sich stehen hat, steht Bettina Wulff auf. Einfach so. Ihr Stuhl kann zwar auf keinen Fall so hart sein wie es ihre letzten Lebensjahre als First Lady an der Seite des Bundespräsidentendarstellers Christian Wulff; ein Kissen als Sitzunterlage möchte sie trotzdem. Und deshalb holt sie sich eins. Was Frau Kuttner, obwohl Fernsehen ja nachweislich über Bilder funktioniert, sicherheitshalber noch mal in eine Frage packt: „Du holst dir jetzt wirklich ein Kissen?“ Anschnallen, Emotionszentrum extra festzurren, stark sein: Bettina Wulff hat sich ein Kissen geholt. Bei Sarah Kuttner. In dem Talk-Format „Kuttner plus Zwei“. Ein Wahnsinn.

Danach geht’s um das Pro und Contra von Kork und Schraubverschlüssen. Im Zusammenhang mit Wein. „Es gibt auch nicht mehr so viel Kork auf der Welt“, merkt Bettina Wulff an und schlussfolgert: „Für den Wein macht es keinen Unterschied.“ Aha. „Ich bin nicht so helle“, sagt Sarah Kuttner (Warum, ist uns entfallen. Vor allem aber ist es: völlig egal, warum.), und Bettina Wulff sagt: „Ich auch.“ Gut möglich, dass das beides selbstironisch wirken sollte. Glauben wir dennoch aufs Wort.

Morot mit Gesichtstapete

Währenddessen hinter seinem Rotwein als Anführer eine Ein-Mann-Bartwuchsbande in sich selbst ruhend: Antoine Monot, Jr.. Diese imposante Gesichstapete, diese beeindruckende Wallewalle-Mähne. Als Schauspieler mit schöner Stimme neigt er zum Monologisieren, aber er hat wenigstens etwas zu erzählen. Dass er sein ganzes Leben im Internet organisiert etwa. Dass er es liebt, in großen Runden gesellig zu sein, zugleich die Zeit alleine wertschätzt und auch allein zu zweit mit seiner Freundin zwei bis drei Tage mit dem Sofa verwachsen kann.

Und Bettina Wulff? Lässt uns wissen, dass das tägliche Schminken im Bad genauso zu ihren Ritualen gehört wie die Bundesliga-Konferenz auf „Sky“. Wirklich informativ, unterhaltend oder kurzweilig ist das alles jedoch nicht. Und wenn man weiß, dass für die 28-minütige Sendung rund 90 Minuten aufgezeichnet werden, will man lieber gar nicht wissen, was im Schnitt im Papierkorb gelandet ist.

Kaum Gespräch

Zu sehen ist jedenfalls das: Sarah Kuttner hat mittlerweile aufgetischt, im Schatten von Frikadellen, Sülze und einer umfangreichen Käseplatte spricht Bettina Wulff ein Tischgebet („Alle guten Gaben/ alles, was wir haben/ kommt großer Gott von dir/ Wir danken dir dafür - Amen“), und dann geht es um Cybermobbing, den Bart von Antoine Monot, Jr., an dem beide Frauen riechen wollen (was der zum Glück würdevoll ablehnt), Image und PR-Berater. Eine zünftige Plapperei entsteht daraus, ein Gespräch kommt nicht zustande.

Was auch daran liegt, dass Sarah Kuttner für strukturiertes Fragen oder gar konsequentes Nachhaken nicht zuständig ist. Eine zweifellos naheliegende Frage – „Bettina, was machst du eigentlich heute beruflich?“ – kommt ihr nicht über die Lippen; vielleicht hat sie auch einfach den Mund zu voll. So viel Sülze, die vielen Frikadellen, die große Käseplatte. Und erst das frische Brot. „Noch ein Gürkchen?“, fragt Bettina Wulff irgendwann zwischendurch. Was eine Talkshow sein soll, ist dann doch nur eine große, zusammenhanglose Rederei. Saure Gürkchen? Sind sicher immer vorrätig bei „Kuttner plus Zwei“. Noch mehr aber gibt’s hiervon: süßer Langeweile. 

„Kuttner plus Zwei“ läuft am 26.2. um 22.45 Uhr bei ZDFneo. In neun weiteren Folgen (jeweils donnerstags auf ZDFneo) sind unter anderem zu Gast: Andreas Bourani, Smudo, Meret Becker, Hugo Egon Balder, Eva Briegel, Oliver Rohrbeck und Roger Willemsen.

 

 

Sarah Kuttner
Sarah Kuttner
ZDF/ Marcus Höhn Lizenz