TV-Tipp "Carlos" TV-Tipp "Carlos": Der Schakal aus Venezuela

Köln - Entweder man beweist an diesem Abend Durchhaltevermögen auf dem Sofa. Oder aber man trifft ein festes Arrangement mit dem Festplattenrekorder und guckt diesen großen Film in kleineren Portionen. Wie immer man sich entscheidet: „Carlos“, das wuchtige und ellenlange Terrorismus-Drama (arte, ab 21.40 Uhr, drei Teile, bis 3.05 Uhr) um die Lebensgeschichte und Gewalt-Karriere von Ilich Ramírez Sánchez, lohnt auf alle Fälle.
Édgar Ramírez, der den Linksterroristen in dem vielfach prämierten Film von Regisseur Olivier Assayas spielt, spendiert dem gebürtigen Venezolaner eine Form von Körperlichkeit, bei der aus jeder Pore all das dampft, was den Mann seit Anfang der 70er Jahre in seiner „Branche“ fatal erfolgreich werden ließ. Carlos ist in dem historisch detailliert recherchierten Film Macho und Charmeur, Frauenheld und Frauenverächter, gefühlskalter und mitleidsloser Mörder und ein hemmungsloser Narziss. Die Szene, in der Carlos nackt im Bad zu sehen ist und sich an seinem eigenen Spiegelbild ergötzt, wirkt mindestens genau bedrohlich wie die, in der er 1975 bei der OPEC-Konferenz mit seiner Bande in Wien Geiseln nimmt und Menschen brutal bedroht. Die internationalen Schauplätze des Films sind genauso komplex wie die diversen Auftraggeber, die Carlos durch die Jahrzehnte instrumentalisieren, und falls der irgendwann mal so etwas Ähnliches wie Ideale gehabt haben sollte, verschwinden die vollends hinter seiner Gier nach Geld und dem Job des gnadenlosen Auftragkillers.
„Carlos“ ist fesselnd von der ersten bis zur letzten Minute, bis in die Nebenrollen atemberaubend gut gespielt (hervorragend Nora von Waldstätten als Carlos’ Frau Magdalena Kopp) und definitiv das, wofür die leider arg überstrapazierten Worte „großes Kino“ stehen.