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TV-Kritik zu Maybrit Illner TV-Kritik zu Maybrit Illner: Wer einwandert will arbeiten

Von Daland Segler 06.06.2014, 04:51
Maybrit Illner
Maybrit Illner ZDF und Carmen Sauerbrei Lizenz

Was hat die Redaktion von Maybrit Illner nur geritten, Wahlkampf-Polemik der CSU zum Thema der Talkrunde an diesem Donnerstag zu machen? Die dümmlichen Sprüche über „Sozialschmarotzer“ oder Parolen wie „Wer betrügt, der fliegt“ haben sich doch längst als das entlarvt, was sie sind: Populismus, um am rechten Rand noch ein paar Wählerstimmern abzugreifen. Denn die Statistiken belegen ja, dass die Zahl derer, die hierher kommen, um sich Sozialleistungen zu „erschleichen“, im Promillebereich liegt.

Und nun kommt Illners Redaktion mit einer Gesprächsrunde über „Neue Zuwanderer, alte Probleme?“ daher, deren Motto sich harmlos anhört, deren Verlauf aber genau die falschen Klischees bedient, die rechte Parteien wie CSU und AfD  für ihren Stimmenfang nutzen. Völlig zu recht monierte die junge Deutsch-Inderin Myra Mani gegen Ende der Sendung, dass hier „nicht über Zuwanderung geredet wurde, sondern über die Integration von armen Leuten“. Das sei aber nicht dasselbe.

Wohl wahr, aber Moderatorin Illner ließ die Debatte nicht nur in diese falsche Richtung laufen, sondern trug noch das Ihre dazu bei. Zunächst mal sprach sie den Namen des Kabarettisten Serdar Somuncu falsch aus, so dass der mit „Frau Ellner“ konterte. Dann prangte als Kulisse ein Bild von Frauen in Kopftüchern hinter der Runde, was Grünen-Chef Özdemir zurecht monierte.

Probleme gründen im sozialen Milieu

Obwohl  anfangs selbst CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer feststellte, dass die meisten Zuwanderer „gut qualifiziert“ seien, verengte Illner die Diskussion bald auf die Frage, was denn mit den 130.000 Bulgaren und Rumänen sei, die hierher kämen. Gutmeinende Beobachter könnten auch andere ihrer Fragen dahingehend deuten, dass die Gastgeberin einigen der am Tisch Sitzenden Gelegenheit geben wollte, die Argumente von Populisten zu entkräften.

So wollte Illner von der Neuköllner Bezirksstadträtin Franziska Giffey (SPD) wissen, warum es die  Armen ausgerechnet in die sozialen Brennpunkte zu den anderen Armen hinzöge. Die erwartbare Antwort: In Stadtteilen wie Zehlendorf seien Wohnungen für weniger Betuchte nicht so leicht zu finden. Und im übrigen, so die Kommunalpolitikerin mit Blick auf die Zuwanderer-Debatte, gründeten die Probleme weniger in der Herkunft als im sozialen Milieu. Man müsse dafür sorgen, dass vor allem die Kinder und Jugendliche nicht von Bildungschancen abgekoppelt würden.  Unterstellungen wie die, dass der Sozialstaat von Einwanderern missbraucht werde, seien da nicht hilfreich.

Da ließ dann der Christsoziale Scheuer die Maske des Biedermanns fallen und demonstrierte seine Auffassung von „unserer deutschen Willkommenskultur“: „Ich erwarte von Menschen, die zu uns kommen, dass sie sich an unsere Ordnung halten.“ Dabei hatte Myra Mani schon zuvor recht  konkret auf Steine hingewiesen, die Einwanderern hier in den Weg gelegt werden: Da dauert eine Berufsanerkennung schon mal ein bis anderthalb Jahre statt der vorgesehenen drei Monate. Aber solchen Differenzierungen, wie sie auch Serdar Somuncu forderte, wurde nicht weiter nachgegangen.

Immerhin holte Illner dann die rumänische Sozialpädagogin Doinita Grosu in die Runde, die in Hamburg Landsleute unterstützt und die in dankenswerter Klarheit noch einmal deutlich machte: Wer hierher kommt, will arbeiten. Grosu hat in einem Jahr genau zwei Zuwanderer erlebt, die nicht unbedingt arbeiten wollten. Andere würden das Geld, das sie  durch Flaschen sammeln verdienten, nach Hause schicken – und auf der Straße schlafen. Doch diese Menschen kämen nicht mit der Vorstellung hierher, auf der Straße zu schlafen. Die Reaktion des CSU-Politikers: „Wie müssen auch an die deutsche Solidargemeinschaft denken“.

Deutsche als Sozialtouristen

Franziska Giffey wies demgegenüber darauf hin, dass es Aufgabe der EU sei, das gesamte Staatengebilde zu sichern, also sei auch Deutschland in dieser Verantwortung, und schließlich gebe es genügend deutsche Unternehmer, die in Rumänien produzieren ließen. Serdar Somuncu pflichtete bei: Wir seien auch Sozialtouristen, wenn wir unsere Autos oder T-Shirts im Ausland herstellen ließen.

Und in Deutschland schicken Bosse die Fremden in Schwarzarbeit, was ihnen den Zugang zu Hartz IV und damit zum Sozialsystem verwehrt, wie Grosu anmerkte. Fast erleichtert merkten die beiden Politiker in der Runde an, dass der Europäische Gerichtshof  die Klage einer Rumänin gegen die Bundesrepublik wohl abweisen werde und sie nicht, ohne „dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen“, Hartz IV erhalten könne. Andernfalls stünden dem Staate Probleme ganz anderer Dimension ins Haus.