TV-Kritik TV-Kritik: Realpolitik bei Günther Jauch

Berlin - Fast ein Jahr ist die Annexion der Krim her, unzählige Talkshows haben sich seitdem damit beschäftigt zu ergründen, was der russische Präsident will und wie weit er dafür zu gehen bereit ist. Die jüngste Sendung von Günther Jauch stellte dabei vor allem eines unter Beweis: Dass in deutschen Talkshows über den Krieg in der Ukraine am liebsten ohne Ukrainer diskutiert wird. Und dass die Macher solcher abendlichen Gesprächsrunden offensichtlich keine Überraschungen mögen.
Denn die eingeladene frühere Moskauer ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz wiederholte das, was sie schon bei Jauch im Oktober gesagt hatte, nämlich dass Russland den Krieg nicht angefangen habe und die Annexion der Krim eigentlich gar keine war.
Die Wiederholung machte die steilen Thesen zwar nicht besser, bis auf den früheren US-Botschafter John Kornblum wollte sich aber niemand in der Runde mehr so richtig darüber aufregen. Möglicherweise hatten der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz und der ebenfalls eingeladene ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, aber auch schlicht die Sinnlosigkeit eingesehen, sich auf eine Diskussion mit der streitbaren Journalistin einzulassen. Nur einmal wurde es auch dem Sozialdemokraten Schulz zu viel, als er einwarf, dass man nicht vergessen dürfe, Putin sei kein Friedensengel und sein Konzept der gelenkten Demokratie sei nun auch nicht gerade sehr sympathisch.
Korrespondenten-Frage in der ARD
Da wollte Gabriele Krone-Schmalz aber lieber darüber reden, dass sie die Dinge gerne vom Anfang her denke und Russland deshalb früher hätte einbezogen werden müssen. Was das allerdings angesichts eines Krieges heißt, der jeden Tag neue Opfer fordert, verriet sie nicht.
Deshalb hätte man schon mal gerne gewusst, warum die ARD immer wieder eine ehemalige Korrespondentin einlädt, die zuletzt 1991 für den Sender aus Moskau berichtet hat. Es ist ja nicht so, als ob es jetzt keine guten Korrespondenten in Russland mehr gäbe; Golineh Atai wurde für ihre Arbeit 2014 vom Mediummagazin sogar als Journalistin des Jahres geehrt. Aber sei’s drum. In der sorgsam austarierten Arithmetik der Talkshow-Gäste hatte Gabriele Krone-Schmalz wohl ihre Funktion erfüllt.
Ansonsten dominierte Realpolitik die Runde, kaum einer, der kein passendes Zitat des obersten Realpolitikers Henry Kissinger parat hatte. Eindringliche Worte fand Kujat, der mahnte, dass sich die militärischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine in den vergangenen vier Wochen so verstärkt hätten, „wir sind wirklich in der Gefahr, dass aus dem Krieg in der Ukraine ein Krieg um die Ukraine wird“. Sein Rat: Deutschland müsse wieder Realpolitik lernen und seine Werte nicht wie eine Monstranz vor sich hertragen. In der Außenpolitik gehe es um nationale Interessen, sagte Kujat.
Das Interesse Deutschlands sei es, Krieg zu vermeiden, nicht die Demokratie in die Ukraine zu bringen. Der General a.D. lobte deshalb ebenso wie der besonnene Europapolitiker Schulz Merkels Pendeldiplomatie und ihre Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Westen könne den Krieg nicht militärisch gewinnen, Russland schon, argumentierte ausgerechnet ein ehemaliger Militär gegen die Forderungen aus den USA, die Ukraine aufzurüsten. In dieser Position waren sich Krone-Schmalz, Kujat und Schulz völlig einig.
Nur frühere US- Botschafter John Kornblum hielt dagegen. Jetzt schon auf die Drohung mit Waffenlieferungen zu verzichten, sei ein Zeichen der Schwäche. Er habe aus seinen Erfahrungen aus den vielen Jahren der Zusammenarbeit mit Russland vor allem eine Erkenntnis gewonnen: Putin respektiere Stärke, nicht Nachgiebigkeit. Und er sei darauf fixiert, von den USA ernst genommen zu werden. Der Versuch der EU, ohne die USA eine Lösung zu erzielen, sei deshalb zum Scheitern verurteilt, ließ er die Deutschen wissen.
Und Günther Jauch? Der blieb so unauffällig, dass er sich sogar einmal von Schulz vorhalten lassen musste, dass er doch der Moderator sei und arbeitete ansonsten brav seine Fragen ab. Das fiel leicht, denn Überraschendes drohte bei dieser Gästeauswahl nicht. Wie schade.