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TV-Kritik "Hart aber fair" TV-Kritik "Hart aber fair": Sahra Wagenknecht im Cockpit

Von Thomas Geisen 06.05.2014, 05:15
Sahra Wagenknecht schlug sich bei „Hart aber fair“ unerwartet auf die Seite des „Cockpit“-Sprechers.
Sahra Wagenknecht schlug sich bei „Hart aber fair“ unerwartet auf die Seite des „Cockpit“-Sprechers. dpa Lizenz

Köln - Man glaubt es nicht, wenn man es nicht selber mitangesehen und gehört hätte: Sahra Wagenknecht, stellvertretende  Parteichefin der Linken, hatte Verständnis für Jörg Handwerg. Der Lufthansa-Pilot, seit 2009 Vorstandsmitglied bei der Pilotenvereinigung Cockpit, deren Sprecher er seitdem ist, verteidigte das Jahresgehalt von maximal rund 180.000 Euro, den Kampf um die üppige Ruhestandsregelung ab 55 Jahren und auch den Streik, über den sich gefühlt die gesamte Republik aufregte.

Letztlich sei dies eine Folge von Angebot und Nachfrage, keine Frage der Gerechtigkeit. Und wo man erwartet hätte, dass Wagenknecht die Klassenkampfmachete herausholt, nickte sie zustimmend, fragte eher nach der Entlohnung des Kabinenpersonals und geißelte die Renditegier der Konzerne.  Pilot und Linke waren einig, dass ein Verzicht auf Lohn die Verantwortlichen bei der Lufthansa wohl kaum dazu gebracht hätte, niederen Chargen wie dem Kabinenpersonal mehr zu zahlen.

Schwerer Stand für Piloten

Ansonsten hatte Jörg Handwerg natürlich einen schweren Stand.  Der Nimmersatt aus dem Cockpit musste gegen den Moralapostel Peter Hahne bestehen. Der Journalist, TV-Moderator, „Bild am Sonntag“-Kolumnist und Autor von Büchern wie „Rettet das Zigeunerschnitzel! – Werte, die wichtig sind“ mahnte die Grenzen der „Gier“ an. Auf der anderen Seite bedauerte er, wie sehr uns doch der Neid krank mache.

Den Piloten warf er vor, ihre Macht ausgenutzt zu haben,  mit „Erpressungspotenzial“ umschrieb er das Pfund, mit dem sie wuchern konnten.  An der Stelle schilderte auch Frank Plasberg seine quasi persönliche Betroffenheit: Seine Kindergärtnerin hatte sich so auf eine Reise gefreut, konnte aber nicht fliegen.

Florian Gerster, Unternehmensberater und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, stieß ins gleiche Horn, regte sich über den Streik auf, wenngleich er allerdings eine Berechtigung für Lohnunterschiede sieht. „Wer große Verantwortung trägt, muss auch mehr verdienen.“ Fragt man sich natürlich, wie man einen Streik organisiert, der gleichzeitig unbemerkt und wirksam ist.

Unternehmenschefin „wie eine Nonne“

Und man fragte sich in der Talkrunde, wie groß denn der Lohnunterschied sein darf: Wann ist es genug? Verliert derjenige den Bezug zur Realität, der Millionen scheffelt? Letzteres fragte ein Zuschauer. An dieser Stelle spielte Sina Trinkwalder  eine herausragende Rolle. Die 1978 Geborene studierte Politik und Betriebswirtschaftslehre. Nach Abbruch des Studiums gründete sie mit ihrem Mann Stefan Trinkwalder im Alter von 21 Jahren eine Werbeagentur, 2010 dann die ökosoziale Textilfirma „manomama“. Hier beschäftigt sie hauptsächlich auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen. In ihrer Firma erhalten alle zehn Euro Stundenlohn. Wer die Maschinen warten kann, erhält 500 Euro zusätzlich.

Ihre Philosophie der Gleichheit veranlasste Florian Gerster zu der Bemerkung, sie komme ihm vor „wie eine Nonne. Sympathisch aber exotisch“.

Vor allem im zweiten Teil stoppte die Runde das Sperrfeuer auf den Lufthansa-Piloten und wandte sich dem Thema Lohnpolitik zu. Gerster kritisierte „seine“ SPD, die sich nicht an das Thema kalte Progression ran wage. Wagenknecht  bedauerte, dass viele Arbeitnehmer sich nicht trauten, mehr Druck auf die Arbeitgeber auszuüben. Deutschland habe seine Wettbewerbsfähigkeit durch Lohnzurückhaltung erkauft. So wurde in der Sendung die Statistik zitiert, wonach die Reallöhne in den vergangenen 18 Jahren um gerade einmal zwei Prozent gestiegen seien.

Sina Trinkwalder teilte die (Arbeits-)Gesellschaft deshalb auch in zwei Bereiche ein: Da gebe es in Deutschland die wertschöpfenden Berufe, teils im sozialen Bereich, die nichts in die Tasche bekämen. Auf der anderen Seite stünden dann die abschöpfenden. Oder, wie es wieder ein Zuschauer drastisch formulierte: Der Teufel scheißt immer auf denselben Haufen.

Jörg Handwerg, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit.
Jörg Handwerg, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit.
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Faktenchecker Frank Plasberg bei „Hart aber fair“ (ARD).
Faktenchecker Frank Plasberg bei „Hart aber fair“ (ARD).
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