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«Trololo»: Internet macht Eduard Chil berühmt

Von Wolfgang Jung 25.04.2010, 10:03

Moskau/dpa. - «Vielen Dank», rief der Russe und stimmte das Lied an, das ihn in den vergangenen Monaten dank des Internets zwischen New York und Schanghai berühmt gemacht hat: «Ich bin sehr froh, endlich daheim zu sein.» Chil war nach dem Ende der Sowjetunion 1991 als Sänger fast in Vergessenheit geraten - nun lässt der Erfolg des Songs, den die Internet-Gemeinde «Trololo» getauft hat, den Bariton sogar über eine Welttournee nachdenken. «Auf Wiedersehen in Amerika», verabschiedete sich Chil übermütig nach dem 90-minütigen Auftritt.

Im Oktober 2009 hatte ein Musikfan ein Video von Chil im Internet veröffentlicht. «Es stammt von 1976 aus dem schwedischen Fernsehen», erinnerte sich der Sänger. In dem dreiminütigen Film schlendert Chil in einem braunen Anzug an einer gusseisernen Dekoration vorbei und singt ein Lied ohne zusammenhängende Worte. Zwar wurde der Song damals mit Text komponiert, doch die Zeilen über die «Sehnsucht eines Cowboys» wurden gestrichen: «Zu amerikanisch», befanden sowjetische Zensoren. Chil trällert daher nur «Trololo» und «Jajaja», und die ganze Welt trällert heute mit. In einer der vielen Internet-Parodien ist der österreichische Oscar-Preisträger Christoph Waltz zu sehen.

«Es ist ein wenig, als ob meine Jugend zurückkehren würde», meinte der 1934 in der westrussischen Stadt Smolensk geborene Chil. «Schade, dass der Komponist Arkadi Ostrowski schon 1967 gestorben ist und diesen Triumph nicht mehr erleben kann.» Allerdings sieht der renommierte Bariton den Erfolg mit gemischten Gefühlen. «Früher mussten wir Gesangsunterricht nehmen, Proben überstehen und zu Konzerten durch die ganze Sowjetunion fahren. Heute stellt man bloß irgendein Video ins Internet und ist berühmt. Es ist eine merkwürdige Zeit.»

In der UdSSR war Chil ein gefragter Sänger, doch heute ist er im Staatsfernsehen kaum zu sehen. «Ich bestehe darauf, live zu singen, das wollen viele Sender nicht. Mit Gorbatschows Perestroika (Umbau) kamen andere Idole.» Aber eine gut organisierte Tournee («Von mir aus durch die ganze Welt») würde er mit seiner Frau Zoja, mit der er seit 52 Jahren verheiratet ist, mitmachen. Bis dahin bessere er an seinem Wohnort St. Petersburg weiter seine staatliche Grundrente von umgerechnet 270 Euro mit Gesangsunterricht auf, sagte Chil vor dem Moskauer Konzert am Samstagabend.

In dem 1996 eröffneten Club, der nach dem sozialkritischen Bergmannssong «Sixteen Tons» benannt ist, präsentierte Chil für einen Eintrittspreis von 1000 Rubel (rund 25 Euro) einen Querschnitt seines Schaffens. Mit Stimmkraft und Ausdauer meisterte er auch Balladen sowjetischer Liedermacher und präsentierte zudem Rocksongs, die er in den 1990er Jahren mit seinem Sohn Dmitri aufgenommen hatte. Im Mittelpunkt stand natürlich «Trololo». Auch wenn der «amerikanische» Originaltext heute erlaubt ist: Chil stimmte die «Internet-Version» an, und das Publikum sang «textsicher» mit. Solche Lieder, zu denen auch «Der lachende Vagabund» (1958) von Fred Bertelmann gehört, seien wegen ihrer «positiven Grundstimmung» so beliebt, meinte der Sänger.

«Super Konzert», sagte der 21-jährige Juri nach dem Auftritt, und seine Freundin Swetlana (19) schwärmte: «Mit ihm würde Russland glatt den Eurovision Song Contest in Oslo gewinnen.» Doch im Mai, wenn in Norwegen der Sängerwettbewerb stattfindet, steht Chil vor der Kamera: Aufgrund des «Trololo»-Videos gab ihm der kanadische Regisseur David Cronenberg eine Rolle in seinem Film «A Dangerous Method». Zudem plant Chil eine neue Version des berühmten Songs, diesmal mit Text. «Ich rufe alle Fans auf, mir eine Zeile zu schicken, daraus basteln wir ein neues Lied», sagte er nach dem Konzert. Einen Titel habe er schon, betonte der Sänger mit dem Seitenscheitel: «Let's trololo.»

«Trololo» bei You Tube: dpaq.de/kGyUE