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Till Brönner verfällt dem Bossa Nova

Von Esteban Engel 19.09.2008, 06:00

Berlin/dpa. - Schuld ist nicht nur der Bossa Nova - für Till Brönner war ein musikalischer Ausflug nach Rio de Janeiro schon lange fällig. «Man kommt gar nicht daran vorbei», sagt Deutschlands Vorzeige-Jazzer.

Seit Beginn seiner Karriere hat der 37-Jährige die Standards von Antônio Carlos Jobim gespielt, nun wollte er es genauer wissen. Der Trompeter flog in die Strandmetropole und kam mit drei Buchstaben zurück: «Rio» - so heißt schlicht die neue CD, auf der Brönner sich eher als Gastgeber denn als Solist präsentiert.

Brönner wusste, dass er bei drei Wochen Aufnahmen in Rio de Janeiro nicht allzu tief in Brasiliens Musik eintauchen konnte. Das musikalische Fundament legt ein Quintett, dem mit dem Gitarristen Marco Pereira und dem Percussionisten Marcos Suzano zwei der profiliertesten Studiomusiker Brasiliens angehören. Brönner und sein langjähriger Produzent Larry Klein haben für die Produktion hochkarätige Interpreten gewinnen können. Neben Popsängerin Annie Lennox und den brasilianischen Superstars Milton Nascimento und Sergio Mendes begleiten auch Songschreiberin Aimee Mann («Ally McBeal») und der Sänger Kurt Elling die 12 «Rio»-Songs.

Der knappe CD-Titel sei Absicht. «Jeder hat eine Vorstellung von der Stadt, ihrem Klang und ihren Schönheiten», sagt Brönner. «Rio» biete eine Projektionsfläche für alle Sehnsüchte, die mit der Stadt verbunden seien. Tatsächlich sind Sehnsucht und Melancholie die Treibstoffe der Bossa Nova (was übersetzt «Neue Welle» bedeutet), die sich in den vergangenen 50 Jahren von Rios Barmusik zum Weltklang entwickelt hat.

Nachdem 1958 der Sänger und Gitarrist João Gilberto mit seinem Titel «Chega de Saudade» erfolgreich war, ist Rios Soundtrack auch nicht mehr vom Jazz wegzudenken. Es war coole Musik, die Antônio Carlos Jobim und der Poet Vinícius de Moraes in den Bars des Intellektuellen-Viertels Ipanema aus der schwarzen Samba-Musik destillierten: Wogender Rhythmus, eingängige Melodien, dezenter Bass und Texte, die von sanfter Liebe schwärmen. Zwischen Sonnenuntergang und einem leichten Caipirinha-Rausch gerinnt das Leben zu einer Postkarte mit Sonnenuntergang.

Kaum ein Jazzmusiker hat sich dem Bossa-Zauber entziehen können. Ob Frank Sinatra, Stan Getz oder Charlie Byrd - Jobims «Girl von Ipanema» gilt nach «Yesterday» von den Beatles als meistgespielter Song aller Zeiten.

Nun ist also auch Brönner mit seinem zwölften Album auf dem Bossa-Trip und geht eher wie ein erstaunter Beobachter als ein Eroberer vor. Seine Trompete deutet die Melodien eher an, drängt sich kaum in den Vordergrund. «Ich wollte Gastgeber sein, von den brasilianischen Musikern etwas lernen», beschreibt er seine Zurückhaltung.

Etwa im ersten Song «Misterios» (Geheimnisse), in dem Brönner Annie Lennox und Milton Nascimento viel Raum lässt. Oder im Klassiker «So danco samba», wo Brönner erstmals portugiesisch singt und wie in Jobims «Ligia» die Trompete die Noten wie Worte klingen. «Ich spiele weniger Noten, aber dafür die richtigen», sagt Brönner. Zur Wiederentdeckung zählt auch die Sängerin Luciana Souza, die ihn bereits in seinem Album «Oceana» (2006) begleitete.

Mit «Rio» bleibt sich der 1971 in Viersen geborene Brönner treu. Etwa im Jahresrhythmus hat er eine CD herausgebracht, am liebsten Konzeptalben, die eine Geschichte erzählen. Ob «Chattin' with Chet», eine Hommage an sein Vorbild Chet Baker, oder dem «Jazz Album» mit Bassbariton Thomas Quasthoff - Brönner ist ein musikalischer Seitenspringer, der sich selber treu bleibt.

www.tillbroenner.de

www.jazzecho.de                             

www.myspace.com/broennertill