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Thüringen Thüringen: Zwischen Kolonnenweg und Beobachtungspunkt

Von Max Eckart 29.07.2011, 13:28
Touristenführer Arno Gleisberg neben einem Beobachtungsbunker im Außenbereich des Grenzlandmuseums Eichsfeld bei Teistungen (FOTO: DAPD)
Touristenführer Arno Gleisberg neben einem Beobachtungsbunker im Außenbereich des Grenzlandmuseums Eichsfeld bei Teistungen (FOTO: DAPD) dapd

Teistungen/dapd. - Gleich hinter dem ehemaligenZollverwaltungsgebäude beginnt der vier Kilometer lange Rundkursdurch ein Stück Zeitgeschichte. Entlang geht es ein Stück an derBundesstraße 247 zwischen dem niedersächsischen Duderstadt und dem thüringischen Worbis, dann weiter auf dem alten Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen.

«Da hinten, da hatten wir unserenBeobachtungsposten», sagt Arno Gleisberg und deutet mitausgestrecktem Arm nach Nordwesten auf einen etwa ein Kilometerentfernten Hügel. Als die deutsch-deutsche Grenze auch das Eichsfeld teilte, war Gleisberg in Duderstadt beim Bundesgrenzschutz stationiert. Als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Grenzlandmuseums Eichsfeld führt er heute Besuchergruppen durch die Einrichtung und die weitläufigen Außenanlagen. An diesem Tag ist der Kurs «Bürgerarbeit» der Kreisvolkshochschule Duderstadt zu Gast.

Eine Einführung zur Geschichte und zu den Hintergründen der deutschen Teilungen hat Gleisberg schon im Museum gegeben, jetzt sammelt sich die Gruppe draußen. 24 Stationen dokumentieren das einstige Grenzregime der DDR. Auf einer Länge von 300 Metern sind die ehemaligen Grenzsperranlagen im Original erhalten. Nirgendwo sonst an der früheren innerdeutschen Grenze gebe es noch so ein langes Stück,sagt Gleisberg.

Nachts wurde die Kfz-Schnellsperre getestet

«Das hier war die Kfz-Schnellsperre», erklärt Gleisberg und zeigt auf eine schon etwas verwitterte Schranke. «Die sollteGrenzdurchbrüche mit Kraftfahrzeugen verhindern, so hieß das imGrenzerjargon, und konnte innerhalb von drei Sekunden hochgeschossen werden.»

Zum Einsatz sei sie niemals gekommen, aber in jeder Nachthabe es eine Funktionsprobe gegeben. «Das hat dann so geknallt, dass sich die Leute im nächsten Dorf in ihren Betten erschreckt haben.»

Mit dem von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und der DDR-Führungausgehandelten Grundlagenvertrag im Juni 1973 öffnete in demAbschnitt der Grenzübergang Duderstadt-Worbis. Er war mit fünfMillionen Reisenden bis 1989 die am häufigsten benutzteTransitstelle im sogenannten kleinen Grenzverkehr.

Vor allem Bundesbürgern konnten auf diese Weise schneller undohne weite Umwege zu ihren Verwandten und Freunden in den anderen Teil des Eichsfeldes gelangen. Für die Bewohner der DDR blieb ein Besuch im Westen schwierig oder war ganz untersagt. Etwa 50 Menschen aus der Region entschieden sich zur Flucht, elf mussten das mit dem Tod bezahlen.

Kaum Kontakt zwischen Grenzern in Ost und West

Kurz nach Öffnung des Übergangs bauten die DDR-Grenztruppen einemassive Betonbrücke über das parallel zur Straße in westlicheRichtung fließende Bächlein Hahle, um mit ihren Fahrzeugen besser patrouillieren zu können. «Solche Gewässer waren beliebteFluchtrouten», sagt Ex-Grenzschützer Gleisberg. «Die DDR hat erst mal das Bachbett kahlgeschlagen und den Bach mit Gittern gesperrt.»

Das damalige Verhältnis zwischen dem Bundesgrenzschützern und den Grenzern auf der anderen Seite beschreibt Gleisberg als schwierig. «Es gab kaum mal ein Gespräch», sagt er. «Grüße wurden in der Regel nicht erwidert.»

Auf dem musealen Kurs passieren die Besucher weiterezeitgeschichtliche Hinterlassenschaften: die kleinen, kaummannshohen Beobachtungsbunker, den früher von Schwachstromdurchflossenen Signalzaun, die Lichtsperren und die Hundelaufanlage.

«Groß, kräftig und scharf mussten die Hunde sein, das war dieHauptsache», beantwortet Gleisberg die Frage eines Teilnehmers nach den eingesetzten Rassen. «Und sie mussten laut bellen können. Hier oben war ja sonst nur Ruhe.»