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Theatertreffen Berlin Theatertreffen Berlin: Faust in achteinhalb Stunden

Von andreas montag 15.05.2012, 17:03

Berlin/MZ. - Alle Jahre wieder, und natürlich geht man hin - sofern einem das Glück einer Karte zuteil wird. Das dreiwöchige Theatertreffen in der Hauptstadt, veranstaltet von den Berliner Festspielen, ist erfolgreich, sehr zu Recht. Was immer die selbsternannten Therapeuten deutscher Subventionskultur-Infarkte auch unken mögen, die Meisterschaften in der Disziplin deutschsprachiges Theaterspiel sind eben nicht nur ein Event, auch mehr als bloße Leistungsschau oder gar Kuriositätenkabinett - hier nimmt man Platz und fühlt sich direkt eingeladen, an einem Gespräch über das, was die Gesellschaft bewegt, teilzunehmen.

Zehn Inszenierungen gibt es pro Jahrgang zu sehen, ausgewählt von einer Kritikerjury, die für ihr Votum regelmäßig Schelte von jenen bekommt, die natürlich ganz anders entschieden hätten, zumal, wenn sie selbst Theatermacher - und nicht eingeladen sind. Aber das gehört zum Wettbewerb wie das erfreulich bescheidene Schaulaufen von Promis aller Sparten. Und für alle, Spieler wie Zuschauer, gilt, dass es zuweilen bis an die physische Leistungsgrenze gehen kann. Bei "Faust I + II", Goethes ultimativer Welterklärung im Doppelpack, ist das eindeutig der Fall. Achteinhalb Stunden mutet der Regisseur Nicolas Stemann seinem Publikum zu, das ist happig, trotz einiger Erholungspausen.

Aber die Aufführung, eine Koproduktion des Hamburger Thalia Theaters mit den Salzburger Festspielen, ist vor allen Dingen ein großes Vergnügen, ungeachtet einiger Schwächen im zweiten Teil. "Faust I" indes, in einem Rutsch und von nur drei Darstellern gespielt, gehört zweifellos zum Besten der Liga, selten hat man das Werk so schlüssig und spannend gesehen, wobei auch mit Ironie und Witz nicht gegeizt wird. Philipp Hochmair, Sebastian Rudolph und Patrycia Ziolkowska spielen - nein: durchdringen den Text in wechselnden Rollen monologisierend und bringen es dabei ganz undidaktisch fertig, dass man Faust und Mephisto als Eines und einen Teil des disparaten Ganzen begreift, zu dem unsereins gehört.

Der lange, teils burleske zweite Teil gerät bisweilen etwas wirr, zuviel wird angerissen, auch die Rezeptionsgeschichte des großen Denkstückes. Schon wollte man argwöhnen, der Regisseur habe es selbst nicht ganz durchschaut. Aber dann bekommen er und seine Truppe, aus der nun Josef Ostendorf noch herausragt, eine großartige Kurve hin. Faust als Visionär wird mit einem bunten, zu Tränen rührendem Showfinale in die Gegenwart verabschiedet. Und mit viel Beifall bedankt.

Das Theatertreffen im Netz: www.berlinerfestspiele.de