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Theater Theater: Regisseur Kresnik sorgt für Eklat in Bremen

18.12.2003, 18:28
Der Schauspieler Günter Kaufmann drischt am Donnerstag (18.12.2003) während der Probe zur Inszenierung von Johann Kresnik "Die Zehn Gebote" im Bremer St.-Petri-Dom auf ein altes Auto ein. Danach wurden die Proben zu dem umstrittenen Stück von der Führung der St.-Petri-Domgemeinde ausgesetzt. Zuvor war es in der Hansestadt zum Eklat gekommen, als Kresnik unter anderem für eine Szene zehn Frauen über 60 Jahre suchte, die im Dom nackt an einer Nähmaschine arbeiten sollten. (Foto: dpa)
Der Schauspieler Günter Kaufmann drischt am Donnerstag (18.12.2003) während der Probe zur Inszenierung von Johann Kresnik "Die Zehn Gebote" im Bremer St.-Petri-Dom auf ein altes Auto ein. Danach wurden die Proben zu dem umstrittenen Stück von der Führung der St.-Petri-Domgemeinde ausgesetzt. Zuvor war es in der Hansestadt zum Eklat gekommen, als Kresnik unter anderem für eine Szene zehn Frauen über 60 Jahre suchte, die im Dom nackt an einer Nähmaschine arbeiten sollten. (Foto: dpa) dpa

Bremen/dpa. - Die Telefone in der Gemeinde standen seit Tagen nicht mehr still.Kirchenmitglieder drohten mit Austritten, einige reagierten mitwüsten, teils anonymen Drohungen. «Wir mussten jetzt handeln», sagteDom-Pastorin Ingrid Witte am Donnerstag. Er habe nicht erwartet, dass«Herr Kresnik so brutal mit den Gefühlen der Menschen umgeht»,ergänzte Pastor Peter Ulrich. Die Proben waren bis Mittwochöffentlich.

Noch vor wenigen Tagen hatte der erst kurz zuvor aus dem Gefängnisentlassene Schauspieler Günther Kaufmann als Hauptdarsteller in demKresnik-Stück für Furore gesorgt und die Medien angelockt. Er hattesein Mordgeständnis im August widerrufen und war Ende November ausder Haft entlassen worden. Doch die für eine Szene gesuchten zehnFrauen über 60, die nackt an Nähmaschinen arbeiten sollten, stahlenihm schnell die Show - und bringen ihn vielleicht um seine ersteRolle nach der Haft.

«Für die St. Petri Domgemeinde sind die mit dem Theatervereinbarten Grenzen des Zumutbaren in eklatanter Weiseüberschritten», hieß es in einer Erklärung. Die leitendeKirchenvorsteherin Edda Bosse wollte nicht detailliert dazu Stellungnehmen. Doch dann brach es aus Pastor Ulrich heraus: «Wenn HerrKaufmann in Sportklamotten vor dem Altar liegt, ist das für mich einProblem. Und wenn Herr Kaufmann auf die Kanzel geht, ist das für michauch ein Problem.» Offenbar haben nicht nur die noch gar nichtengagierten nackten Frauen das Fass zum Überlaufen gebracht.

Wie es weiter geht, ist noch offen. Ursprünglich sollte biseinschließlich Samstag geprobt werden. Die Vertreter der Domgemeindewollen mit Bremens Theaterintendanten Klaus Pierwoß das Gesprächsuchen. «Wir sind nicht sehr optimistisch, was die Weiterführung desProjektes im Dom betrifft», sagte Bosse. Nach Angaben vonTheaterdramaturg Joachim Clement gibt es bereits ein Angebot eineranderen Kirchengemeinde. Er habe im Moment den Eindruck, denVerantwortlichen des Doms habe der Mut verlassen. «Wir sind nach wievor an dem Stück interessiert und an der geplanten Werte-Debatte.»

Der theologische Repräsentant der Bremischen Evangelischen Kirche(BEK), Pastor Louis-Ferdinand von Zobeltitz, bedauerte, dass dasProjekt mit einem Eklat endet. Die Frage sei letztlich gewesen: «Wirdder Dom zur Kulisse des letzten Tabu-Bruchs?» Der Landeskirche seiklar gewesen, welches Wagnis die Domgemeinde mit dem Kresnik-Projekteingeht. Im Nachhinein war der eingeschlagene Weg aus Sicht desPastors falsch. «Im Stadtgespräch ging es nur noch darum, wie vielnackte Menschen im Dom herumlaufen.»

«Die zehn Gebote» in der Inszenierung von Kresnik sollten nach dembisherigen Plan am 22. Januar Premiere feiern. Das Textbuch stammtvon Christoph Klimke. Es sei eine Collage, eine wüste Mischung vielerAutoren wie Fassbinder oder Satre. «Dieses Stück gibt es ja nicht alsein eigenes Stück», sagte Klimke.