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Theater Theater: Das Publikum will ergreifende Geschichten

Von Elke Vogel 12.12.2007, 13:03
Die Schauspielerinnen Judith Rosmair (als Gudrun Ensslin) und Susanne Wolff (als Ulrike Meinhof, r) proben in Berlin ihren Auftritt in dem Theaterstück «Ulrike Maria Stuart». (Foto: dpa)
Die Schauspielerinnen Judith Rosmair (als Gudrun Ensslin) und Susanne Wolff (als Ulrike Meinhof, r) proben in Berlin ihren Auftritt in dem Theaterstück «Ulrike Maria Stuart». (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Weniger Zynismus, mehr Gefühl! Mit dieser Forderungbringt die Chefin des Berliner Festivals «Spielzeit'Europa», BrigitteFürle, die zum Ende des Theaterjahres 2007 schwelende Debatte auf denPunkt. Statt inszenatorischer Experimente wolle das Publikum auf derBühne wieder gut erzählte, emotional ergreifende Geschichten sehen.Diese These untermauerten in diesem Jahr zahlreiche Häuser vomStadttheater bis zur Hauptstadt-Bühne mit einer neuen Lust amGeschichtenerzählen.

Neben zeitgenössischen Werken boten die Theater ihrem Publikumdazu auffallend viele antike Stoffe. Herausragendes Beispiel dafürwar Michael Thalheimers Inszenierung von Aischylos' «Orestie» amDeutschen Theater (DT) Berlin, die zum diesjährigen Theatertreffendeutschsprachiger Bühnen eingeladen wurde. Aber auch Stephan Kimmigs«Mamma Medea» in Tom Lanoyes Bearbeitung des Euripides-Stoffes an denMünchner Kammerspielen zählt dazu - mit der brillanten Film- undTheaterschauspielerin Sandra Hüller («Requiem») in der Titelrolle.Dimiter Gotscheffs am DT Berlin entstandene «Perser» von Aischyloswurden von der Kritiker-Jury der Fachzeitschrift «Theater heute» zurbesten Inszenierung des Jahres gewählt.

Der Aufarbeitung der jüngeren deutschen Geschichte verschrieb sichdas Schauspielhaus Stuttgart mit seinen «Projektwochen» zum Terrorder Roten Armee Fraktion (RAF) vor 30 Jahren. Künstler wie RenéPollesch, Corinna Harfouch und Rimini Protokoll setzten sich unterdem Titel «Endstation Stammheim» mit den Themen Freiheit, Gewalt undWiderstand auseinander. Entertainer Harald Schmidt präsentierte mitdem Liederabend «Elvis lebt. Und Schmidt kann es beweisen» seine ganzpersönliche Sicht auf Stuttgart im Herbst 1977. Die österreichischeLiteratur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek wurde für ihr oftgespieltes RAF/Schiller-Werk «Ulrike Maria Stuart» zur «Dramatikerindes Jahres» gekürt.

Peter Steins Text treue, zehn Stunden dauernde Version vonSchillers «Wallenstein» mit einem in der Titelrolle gefeierten KlausMaria Brandauer bediente in Berlin die Sehnsucht nach großer Sprech-und Sprachkunst. Deutlich gestraffter bietet Michael Thalheimer amDeutschen Theater Berlin seine von den Zuschauern stets dankbarbejubelten Klassiker an. Zuletzt unter anderem Hauptmanns absolutheutig erzähltes Stück «Die Ratten».

Zu den «Ewiggestrigen» wird dagegen mittlerweile der Texte-Zertrümmerer Frank Castorf gezählt, der mit seiner BerlinerVolksbühne in schwere Wasser geraten ist. Bekannte Schauspieler habendas Ensemble verlassen, und auch bei seiner jüngsten Premiere vonKästners «Emil und die Detektive» gelang es dem Regisseur nicht,seine in den Jahren nach der Wende als revolutionär gefeiertenästhetischen Ausdrucksformen wieder mit Inhalt zu füllen. Noch bisins Jahr 2013 könnte Castorfs Intendantenvertrag laut Vereinbarunglaufen, da sollte dem Theatermacher noch einmal eine Wende gelingen.

Triumphieren konnte das von Ulrich Khuon geleitete Thalia TheaterHamburg, das zum «Theater des Jahres» gekürt wurde. Khuon, der zurSpielzeit 2009/10 Intendant am Deutschen Theater Berlin wird, siehtdie Ehrung zurecht als Bestätigung «für eine in sich sehrgeschlossene Arbeit». Khuons Nachfolge ist inzwischen geklärt:Joachim Lux, Chefdramaturg des Wiener Burgtheaters, wird neuerIntendant in Hamburg.

Ebenfalls vom Thalia Theater kommt die «Schauspielerin desJahres»: Judith Rosmair überzeugte unter anderem in der Rolle derGudrun Ensslin in Nicolas Stemanns provozierender, auch zumTheatertreffen eingeladener Inszenierung von Jelineks «Ulrike MariaStuart». Zum zweiten Mal ging in München die Verleihung des neuenDeutschen Theaterpreises «Der Faust», über die Bühne. Auch dorttauchte das Thalia Theater unter den Preisträgern auf: In derKategorie «Regie Schauspiel» gewann Stephan Kimmig mit Schillers«Maria Stuart» die Trophäe.