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Theater am Rand Theater am Rand: Auf dem Weg zurück zum Ich

Von Andreas Montag 14.09.2008, 18:32

Zollbrücke/MZ. - Wiesen und Äcker, Hecken, Weiden und Erlen stimmen auf eine Ruhe ein, die zum Theater am Rand gehört wie das schwere, dunkle Brot mit hausgemachtem Ziegenquark, das man vor der Aufführung kaufen kann. Ob es auch Schmalzstullen gibt, fragt ein Mann die freundliche Frau am Büffet.

Nein, Schmalzstullen gibt es keine. Das wäre wohl ein glatter Stilbruch an jenem Ort, den sich der Schauspieler Thomas Rühmann und der Musiker Tobias Morgenstern als Fluchtpunkt und Kraftzentrum gebaut haben. Einfach geht es hier zu, aber durchaus luxuriös dabei: Kieloben wie ein Schiff liegt das hölzerne Bühnenhaus, ganz aus Holz auch die aufsteigenden Zuschauerbänke. Ein Amphitheater, in dem der rechte Winkel deutscher Denkungsart seine Macht verloren hat.

Keine Spur vom landläufigen Prunk aus glitzerndem Glas, stolzem Stahl und bulligem Beton. Still ist es hier, fast schmerzhaft kommt dem lärmgewohnten Großstädter diese Stille vor. Ab und an ein Vogelschrei aus den feuchten Wiesen, die Mücken summen ihr Lied dazu. Und jeder anspringende Automotor dröhnt wie ein Schuss.

Vor zehn Jahren haben die beiden vielbeschäftigten Gründerväter begonnen, ihr Utopia im Oderbruch zu bauen. Ursprünglich nur ein Zimmertheater, hat sich das Unternehmen inzwischen zu einer regelrechten Bühne ausgewachsen. Und die Gemeinde dankt es mit zahlreichem Erscheinen, aus der Nachbarschaft und aus Berlin kommt das Volk - auch an diesem Septemberabend, als der Geburtstag des Theaters mit einem Liederabend gefeiert werden soll. Wenzel, Tino Eisbrenner, Martin und Thomas Rühmann, das Randorchester Zäckericker Loose unter Leitung von Tobias Morgenstern steuert liebevoll den Sound bei. Thomas Rühmann, als Doktor Heilmann ein Star der erfolgreichen ARD-Fernsehserie "In aller Freundschaft", kann sich sein Leben ohne das zweite Standbein im Oderbruch nicht mehr vorstellen.

Dabei geht es weniger um Weltflucht als vielmehr um Einkehr im "Theater am Rand", Selbstermutigung ist das Ziel, die Kraft für mehr als nur die eigene Seele geben soll. Man kann ein solches Projekt natürlich naiv finden, Zollbrücke ist bestimmt der falsche Ort für unbeugsame Zivilisationsjunkies. "Nimm Dich vom Netz, weil Du es noch kannst", singt Thomas Rühmanns Bruder Martin.

Wer, selbst wenn er stolzer Zyniker sein will, spürte die Sehnsucht gelegentlich nicht, sich noch einmal neu zu begegnen? Und dann rumpelst du westwärts, tiefe Nacht ist es im Oderbruch, Füchse und Hasen queren den Weg. Bis nach Strausberg. Da fängt die Welt allmählich wieder an. Wenn auch mit verdammt wenig Charme.