"Tatort"-Kritik: "Kälter als der Tod" "Tatort"-Kritik: "Kälter als der Tod": Ermittler-Duo Janneke und Brix macht Lust auf mehr

Der Fall:
Das Ehepaar Lydia und Peter Sanders sowie der kleine Sohn Tobias werden in ihrem Haus erschossen. Am Tatort finden sich keine nennenswerten Spuren, nur das Lied „It Could be You” von Margaux & The Point läuft in Dauerschleife. Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch), beide neu in der Frankfurter Mordkommission, stellen fest, dass von Jule Sanders (Charleen Deetz), der Tochter, jede Spur fehlt. Auch Miranda Kador (Emily Cox) wird vermisst. Sie ist Jules Nachhilfelehrerin und pflegt ein inniges Verhältnis zur Familie Sanders. Im Zuge einer Fahndung werden beide kurz darauf im Keller eines nahegelegenen leerstehenden Bauernhofes gefunden, befreit und in ein Krankenhaus gebracht. Dort will sich Silke Kern (Carina Wiese), die Schwester der getöteten Lydia Sanders, nach dem Zustand ihrer Nichte erkundigen, macht dabei aber einen verwirrten und sehr nervösen Eindruck. Sie steht offensichtlich sehr unter Druck ihres Ehemannes Martin (Roman Knizka), einem sadistischen Notarzt. Brix und Janneke finden heraus, dass das Alibi der Eheleute Kern falsch ist und zwischen den beiden Schwestern zuletzt ein Erbschaftsstreit um das Grundstück des verstorbenen Vaters tobte.
So schlagen sich die neuen Ermittler:
Gut, obwohl sie recht unterschiedlich sind. Brix ist ein ehemaliger Streifenpolizist, schon lange in Frankfurt und tendenziell ein Macho. Er wohnt bei Fanny, einer ausgewiesenen Pflanzenfreundin, zur Untermiete. In ihrem Haus kommen auch Miranda und Jule unter, dort passen abwechselnd Brix und Jenneke auf sie auf. Jenneke ist frisch nach Frankfurt umgezogen. Sie hat zuvor die Berliner Polizei psychologisch beraten. Beide Polizisten finden bei den Ermittlungen schnell als Team zueinander und bieten auch ihrem launenhaften Vorgesetzten Henning Riefenstahl gemeinsam die Stirn. Brix und Jenneke sind ein sympathisches Duo, zum Glück ohne übertriebene Macken.
Das muss man wissen:
Miranda ist die Täterin. Sie ist die leibliche Tochter von Lydia Sanders, die Miranda 1989 an einer Hebammenschule mitsamt der geheimnisvollen CD ausgesetzt hat. Über die Hebammenschule hat Miranda die Identität ihrer Mutter herausgefunden. Nur Miranda weiß davon, hat sich aber nie getraut, Lydia dies zu offenbaren. Was wiederum Miranda nicht weiß: Sie selbst wurde bei einer der zahlreichen Vergewaltigungen von Lydia Sanders durch ihren Vater Franz Rudolph gezeugt. Dieser hörte dabei immer sein Lieblingslied, nämlich „It could be you”. Eines Tages läuft die Single von Margaux & The Point im Radio, als Lydia und Miranda gerade in der Küche sitzen. Beide Frauen offenbaren voreinander ihre Geheimnisse, Miranda schlagen daraufhin Abneigung und Ekel entgegen. Die Nachhilfelehrerin bringt anschließend im Affekt die ganze Familie um. Die Kerns haben mit den Morden nichts zu tun. Silke hat nur aus Angst vor ihrem sadistischen Mann gelogen, der sie später sogar tötet.
Die Auflösung:
Martin vermutet fälschlicherweise, dass Miranda und Jule die Familie Sanders umgebracht haben, um als lesbisches Paar ein neues Leben zu beginnen, und ihm die Taten nun anhängen wollen. Er will sich dafür rächen und fährt zu Fannys Haus, wo der Film endet. Dort bringt er Jule in seine Gewalt und sich begibt sich dann mit ihr ins Innere des Hauses. Gleichzeitig gelangt aber Miranda an Jannekes Dienstwaffe und bedroht sie damit im Wohnzimmer. Es kommt zum Aufeinandertreffen, dann überschlagen sich die Ereignisse: Erst erschießt Miranda Martin, dann bittet sie die Ermittler, den Raum zu verlassen, um sich und Jule umbringen zu können. Jenneke kommt dieser Bitte nicht schnell genug nach und wird angeschossen. Der zuvor herbeigeeilte Brix tötet schließlich die Nachhilfelehrerin mit einer Pistole, die er für Notfälle in einem Blumenkübel außerhalb des Hauses versteckt hatte.
Beste Szene:
Silke konfrontiert Martin in der Küche damit, dass sie sich wegen ihrer Lügen beim Alibi schlecht fühlt. Sie möchte der Polizei die Wahrheit sagen. Daraufhin bedrängt Martin seine Frau verbal dermaßen, dass sie es nicht wagt, ihren Plan umzusetzen. Ein verstörender Monolog, der mit „Ich möchte nachher mit dir schlafen“ endet - völlig eingeschüchtert nickt sie und stimmt zu. Eine beängstigend authentische Szene. Roman Knizka spielt den sadistischen Ehemann sehr glaubwürdig, er ist ein absoluter Gewinn für den Film.
Das war gut:
Wenn Brix und Jenneke ermitteln, greift der Film auf Flashbacks zurück. Die Polizisten und die Zuschauer begeben sich dann mit den Protagonisten an die Handlungsorte und erleben die Szenen scheinbar real.
Das könnte besser sein:
Inzest, Demenz, Sadismus bzw. häusliche Gewalt - ganz schön viel verstörende Angelegenheiten für 90 Minuten Film. Teilweise wirkt es so, als übernähme sich der „Tatort” damit thematisch, der Film ist ohnehin schon düster genug.
Angeberwissen:
„It could be you” ist nicht wie im Film behauptet ein Oldie, sondern wurde laut dem iTunes-Store und der Musikerkennungsapp Shazam erst in diesem Monat veröffentlicht.
Fazit:
Es gibt wenig zu schmunzeln in diesem „Tatort“ von Regisseur Florian Schwarz und dem Autor Michael Proehl. Aber weil sie sich entschieden haben, diesen düsteren Plot atmosphärisch konsequent umzusetzen, ist ihnen ein richtig guter Film gelungen. Das macht Lust auf mehr - das nächste Mal ermitteln Brix und Jenneke voraussichtlich im September. Die Dreharbeiten zum dritten Frankfurter „Tatort“ laufen noch bis Ende dieses Monats.