Tatort "Im Schmerz geboren" - Kritik und Netzschau Tatort "Im Schmerz geboren" - Kritik und Netzschau: Ulrich Matthes und Ulrich Tukur brillieren

Die Auflösung
Wer war’s? Diese Frage stellte sich in diesem Tatort überhaupt nicht. Es ist ohnehin klar, dass Richard Harloff (Ulrich Matthes) das Böse in Menschengestalt ist. Anfangs ahnt man nur nicht, was er genau im Schilde führt. Aber ziemlich schnell weiß der Zuschauer, dass er sich rächen will. Und zwar vor allem an seinem ehemaligen Jugendfreund Felix Murot (Ulrich Tukur).
Die Logik
Warum will sich Harloff überhaupt rächen und warum gerade jetzt? Das bleibt bis zum Schluss ziemlich rätselhaft – zumindest, was Felix Murot betrifft. Harloff war wegen einer Drogengeschichte von der Polizeischule geflogen und lebte fortan in Südamerika. Damit hatte Murot aber überhaupt nichts zu tun. Der einzige logische Grund für Harloffs Rachegelüste ist, dass seine Freundin nicht seinen Sohn zur Welt brachte – sondern Murots. Das allerdings ist kein großes Wunder vor dem Hintergrund, dass sich beide diese Freundin einvernehmlich teilten. Die Chancen standen also 50:50. So richtig nachvollziehbar ist Harloffs Rachefeldzug also nicht – man muss sich wohl mit der (ziemlich unbefriedigenden) Erklärung begnügen, dass er irrsinnig ist.
Mit um die 50 Toten war der „Tatort“ vom Sonntag („Im Schmerz geboren“) der wohl mit Abstand leichenreichste in der 44-jährigen Geschichte der beliebten ARD-Krimireihe. Die Expertenseite „Tatort-Fundus“ hat wie folgt Leichen gezählt:
51 Tote in der Folge „Im Schmerz geboren“ (Wiesbaden, HR) mit Ulrich Tukur - Erstausstrahlung: 12. Oktober 2014
19 Tote in der Folge „Kopfgeld“ (Hamburg, NDR) mit Til Schweiger - 9. März 2014
15 Tote in der Folge „Kein Entkommen“ (Wien, ORF) mit Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser - 5. Februar 2012
14 Tote in der Folge „Abschaum“ (Bremen, Radio Bremen) mit Sabine Postel - 4. April 2004
Platz 5 ist - vermutlich - der Schimanski-Film „Zahn um Zahn“ mit Götz George und 9 Toten. Er kam am 10. Oktober 1985 ins Kino und lief als offizieller „Tatort“ im Fernsehen erst am 27. Dezember 1987.
Mit je 7 Toten folgen Berliner „Tatorte“ mit Winfried Glatzeder: „Blick in den Abgrund“ (5. April 1998) und „Krokodilwächter“ (10. November 1996).
Der Gesamteindruck
Huch – was ist hier denn los?! Das war auf jeden Fall kein durchschnittlicher Tatort, sondern die Macher wollten mehr. Am Ende muss man wohl festhalten: Zu viel. Besonders viele Tote (47), eine eigens vom hr-Sinfonieorchester eingespielte Filmmusik, eine erstklassige Besetzung (Ulrich Tukur, Ulrich Matthes, Felix von Manteuffel). Und dazu jede Menge Spielereien – ästhetisch wie inhaltlich. Von Shakespeare über Italowestern bis hin zu Filmklassikern wie „Jules & Jim“ wurde hier alles verwurstet, was die Zitaten-Kiste hergibt. Und selbst vor einem Märchenonkel-Erzähler aus dem Off schreckte Regisseur Florian Schwarz nicht zurück. Meisterwerk oder Totalreinfall? Selten werden wohl die Meinungen so auseinander gehen wie bei diesem Tatort.
Das Fazit
Mit der Ironie ist es eine schwierige Sache. Vor allem, wenn sie so ungeheuer bedeutungsschwanger daherkommt wie bei „Im Schmerz geboren“. Die Fallhöhe war also groß. Ein wenig mehr Leichtigkeit hätte das Ganze womöglich noch retten können. So aber war das, was ein virtuoses Spiel mit Erzähl-Traditionen und -Klischees hätte werden können (und wohl auch sollen), zumeist vor allem eines: albern. Trösten konnte man sich nur mit den tollen Darstellern.
Auch in den sozialen Netzwerken wird der Tatort am Tag danach noch viel diskutiert. Eine Netzschau: