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Talk mit "Schulz & Böhmermann" Talk mit "Schulz & Böhmermann": Jörg Kachelmann ein Hochstapler und das Gefühl der Rache

Von Christine Meyer 11.01.2016, 11:39

Köln - Am Ambiente hat sich nicht viel geändert, am Personal aber schon: Die erste Ausgabe des Talks „Schulz & Böhmermann“ erinnerte die ZDFneo-Zuschauer an „Roche & Böhmermann“. Den runden Tisch, die karge Kulisse, reichlich gefüllte Gläser und ein Rauchgebot der Show gab es auch schon, als Jan Böhmermann noch mit Charlotte Roche zusammen Gäste empfing. Nun ist das Format neu gestartet, allerdings hat sich Böhmermann diesmal Verstärkung von Kumpel Olli Schulz geholt.

Neu ist auch, dass William Cohn, der inzwischen mit Böhmermann und dem Neo Magazin Royale Berühmtheit erlangt hat, durch Sibylle Berg ersetzt wurde. Die deutsch-schweizerische Autorin sorgt mit ihren Einspielern, in denen die Gäste vorgestellt werden, für die nötigen boshaften und hintergründigen Momente.

Mit vier Gästen warten Böhmermann und Schulz auf. Ex-ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann berichtet von seiner „Tour“ durch deutsche Gerichtssäle, Rapper Kollegah gibt sich als Medienprofi und Hochstapler Gerd Postel kommt schnell die Rolle als Unsympath der Runde zu. Blass bleibt dagegen der Auftritt von Drehbuchautorin Anika Decker.

Knast-Erfahrungen

Schnell kommt die Sprache auf Gefängnis-Erfahrungen: Jörg Kachelmann, der immer noch gezeichnet ist von den Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn und der empfundenen medialen Hetze, berichtet von schlimmen Zuständen im Mannheimer Knast. Hier saß der Wetterexperte, der auch mit seinem Ex-Arbeitgeber ARD noch nicht abgeschlossen hat, während seiner Untersuchungshaft ein. Er berichtet von Kakerlaken und Hakenkreuzen an der Wand. „Hatten sie einen Partner in der Zelle“, will Olli Schulz wissen. Gelächter. „Also einen, mit dem sie zusammen Hakenkreuze an die Wand malen konnten“, präzisiert Schulz frech, nachdem er die Missverständlichkeit seiner Frage bemerkt.

In diesem Tonfall geht es weiter. Schulz hat dabei deutlich mehr Redeanteile und macht dabei einen gelösteren Eindruck als Böhmermann. Der ZDF-Jungstar wirkt zunächst nervöser. Besonders, als gleich zweimal hintereinander der falsche Einspieler zu Kollegah abgespielt wird. Die Doppelpanne veranlasst Olli Schulz zur Drohung: „Wenn das so weitergeht, geh ich zurück zu Circus Halligalli!“

Lesen Sie im nächsten Abschnitt, was Kollegah und Michael Wendler gemeinsam haben.

Kollegah am Ballermann

Den höchsten Unterhaltungswert der Runde hat neben den Moderatoren Rapper Kollegah. Der sieht sich einem schlimmen Vorwurf ausgesetzt: „Du redest in Interviews oft in der dritten Person von dir. Das macht sonst auch der Wendler“, stänkert Schulz. Außerdem sei er ja auch schon am Ballermann aufgetreten. Ob er der neue Michael Wendler sei?

Im Gespräch mit Gerd Postel fährt Olli Schulz dagegen fast aus der Haut. Der Postbote, der in den achtziger Jahren zwei Jahre als Oberarzt an einer Klinik für Psychiatrie arbeitete und später eine Haftstrafe wegen Hochstapelei absaß, wirkt arrogant und weigert sich zunächst, Fragen zu seinem Werdegang zu beantworten. Er spricht Olli Schulz Empathie ab. Dann sagt Postel auf die Frage, wie er es schaffen konnte, sich ohne Qualifikation ins Gesundheitssystem einzuschleusen: „Sie müssen nicht intelligent sein, um Oberarzt an einer psychiatrischen Klinik zu werden.“ „Merke ich auch gerade“, nutzt Schultz diese Steilvorlage.

Kachelmann als Uma Thurman

Mit Jörg Kachelmann verbindet Postel das Motiv der Rache. Dieser wollte nach einer Fehldiagnose und dem Suizid seiner Mutter die Psychiatrie als „heiße Luft“ enttarnen. Der Wettermoderator bestreitet zwar, auf einem Rachefeldzug zu sein - die Moderatoren bemühen aber erfolgreich das Bild von Uma Thurman im Tarantino-Film „Kill Bill“.

Auch finanziell ist Kachelmann noch angeschlagen - er nutzt die Gelegenheit, um permanent Werbung für sein Unternehmen zu machen. Von Springer, gegen die er einen Prozess gewann, sei auch noch kein Geld gekommen. „Kohle kommt nicht“, bedauert Kachelmann. Der Medienkonzern ginge durch alle Instanzen, und am Ende werde vom Schmerzensgeld nicht mehr viel übrig sein.

Gerd Postel springt Kachelmann zur Seite und sagt, er erlebe ihn nicht als verbittert, wie von den Moderatoren unterstellt. „Herr Postel, Sie sind kein Psychologe“, erinnert ihn Böhmermann prompt - und sorgt endlich auch einmal für einen komischen Moment.

Schwer hat es der einzige weibliche Gast der Sendung. Anika Decker, die Drehbücher für mehrere Til-Schweiger-Filme lieferte, bleibt blass. Ihre Rolle erschöpft sich weitestgehend darin, den umstrittenen deutschen Star in gutem Licht dastehen zu lassen. Ja, Til schreibe Szenen auch selber. Und seine Facebook-Ausbrüche meine er ja nicht böse.

Als die Gäste die Runde verlassen haben, lautet das Fazit von Jan Böhmermann nach 60 Minuten Sendezeit: „Ich glaube, es war ne okaye Sendung. Mit Luft nach oben.“

So kritisch würden wir das gar nicht sehen.