«Sweet Transvestite» Tim Curry wird 70

London - Ein Mann in Minirock, Strapsen und Stöckelschuhen - skandalös! Oder doch nicht? Das dürfte dann wohl etwas mit Tim Curry zu tun haben. Als der Brite 1973 erstmals als außerirdischer Transvestit in der «Rocky Horror Show» auf der Bühne stand, sorgte die Show wegen ihrer sexuellen Freizügigkeit für Wirbel.
Heute ist das Musical Kult und Tim Curry - obwohl er die Bühnenstrapse schon vor Jahrzehnten an den Nagel hängte - der Inbegriff des Mannes in aufreizenden Frauenkleidern. Am Dienstag (19.4.) feiert der Schauspieler seinen 70. Geburtstag.
Was sich der medienscheue Brite zu seinem Ehrentag wünscht, ist nicht bekannt. Klar dürfte aber sein, dass er eine sehr eigene Erfahrung mit Wünschen gemacht hat. «Sowas möchte ich auch machen», soll Curry als junger Schauspieler 1968 in einem Londoner Theater einem Freund zugeflüstert haben. Auf der Bühne stand Judi Dench. Die Oscar-Preisträgerin - auch bekannt als James Bonds frühere Chefin «M» - brillierte in der freizügigen Hauptrolle des Musicals «Cabaret».
Currys Wunsch wurde erhört. Nach ersten Erfolgen beim Hippie-Musical «Hair» wurde er von «Rocky Horror»-Erfinder Richard O'Brien für die Hauptrolle in der neuen Show verpflichtet. Am 16. Juni 1973 mimte der Mann mit der außergewöhnlichen Singstimme erstmals den Transvestiten Frank N. Furter vom Planeten Transsexual, der sich - fast wie sein Namensverwandter Frankenstein - sein Monster erschafft; in diesem Fall einen blonden Lustsklaven.
Vom schockierten konservativen Theaterpublikum geschmäht, wurde die Show schon bald zum Kult. Spätestens seit der Verfilmung 1977 - dann mit dem Titel «Rocky Horror Picture Show» - ist Curry eine Ikone der Schwulen-Szene. Aber nicht nur dort. Aufführungen der «Rocky Horror»-Show werden nicht selten zu Partys - bei denen mit Wasserpistolen geschossen wird, Reis, Toilettenpapier und Toasts durch die Luft fliegen und aufgedonnerte Fans lautstark jede Zeile mitsprechen und natürlich - «Let's do the Time Warp again» - mittanzen.
Curry selbst war mit der Rolle seines Lebens nicht immer glücklich: «Ich war des Mister Frank N. Furter ein wenig überdrüssig geworden», gab er vor ein paar Jahren zu. Inzwischen soll er sich aber damit abgefunden haben, dass er dem Publikum wohl auf ewig in Strapsen in Erinnerung bleiben wird.
Dabei war der Brite auch anderweitig tätig. In mehr als 30 Filmen war Curry zu sehen - meist in der Rolle des Bösewichts: Als kindermordender Clown in der Verfilmung von Stephen Kings «Es», als machtversessener Kardinal Richelieu in «Die drei Musketiere» oder als hinterlistiger Hotel-Portier in «Kevin - Allein in New York».
Auf der Leinwand blieb Curry die ganz große Karriere trotzdem verwehrt - ganz im Gegensatz zur Musicalbühne. Am Broadway gehört Curry zu den Superstars. Als Mozart in «Amadeus» oder als King Arthur in «Die Ritter der Kokosnuss» feierte er große Erfolge. In seiner britischen Heimat ist Curry mit seiner sonoren Stimme außerdem mit Hörbüchern bestens im Geschäft.
Bereits vor Jahren kündigte Curry - ein begeisterter Gärtner - an, nicht ewig auf der Musicalbühne stehen zu wollen. «Das ist körperlich extrem fordernd - besonders, wenn du älter wirst.» Eine Vorahnung? 2012 brach er in seinem Haus in Los Angeles zusammen: Schlaganfall. Teilweise gelähmt und sprachlich leicht beeinträchtigt sitzt der einst so agile Schauspieler jetzt im Rollstuhl und zeigt sich kaum noch in der Öffentlichkeit. Aber er ist froh, dass er trotzdem seinen Sinn für Humor behalten hat: «Das ist einfach Teil meiner DNA», sagte er dem «Los Angeles Magazine» vor einem Jahr.
2015 wurde er bei den Tony Awards für sein Lebenswerk ausgezeichnet, und im Herbst dieses Jahres wird er für eine Neuverfilmung der «Rocky Horror Picture Show» für den amerikanischen Sender Fox wieder vor der Kamera agieren - diesmal allerdings als kriminologischer Erzähler. (dpa)