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Stummfilmstar Stummfilmstar: Renate Brausewetter im Alter von 100 Jahren gestorben

Von Bettina Grachtrup 20.08.2006, 15:28
Stummfilmstar Renate Brausewetter ist tot (Archivfoto vom 16.09.2005). Die 100-Jährige starb in der Nacht zum Sonntag (20.08.2006) in einem Seniorenheim in Linz (Rheinland-Pfalz). (Foto: dpa)
Stummfilmstar Renate Brausewetter ist tot (Archivfoto vom 16.09.2005). Die 100-Jährige starb in der Nacht zum Sonntag (20.08.2006) in einem Seniorenheim in Linz (Rheinland-Pfalz). (Foto: dpa) dpa

Linz/dpa. - Die kleine Schwester des bekannterenHans Brausewetter, der unter anderem an der Seite von Heinz Rühmannim Klassiker «Paradies der Junggesellen» spielte, lehnte den Tonfilmlange ab. «Ich habe mich keine Minute meines Lebens gelangweilt», zogdie zierliche Frau, die 1905 im spanischen Malaga geboren wurde, imvergangenen Jahr zu ihrem 100. Geburtstag Bilanz.

1915 war die Familie nach Berlin gezogen. Über ihren Bruder kamBrausewetter zum Theater und zum Film. Ihr Leinwanddebüt gab diejunge Schauspielerin 1925 als Statistin in «Die freudlose Gasse» mit Greta Garbo in der Hauptrolle. Unter anderem für «Hanseaten» und «Deralte Fritz» arbeitete sie mit dem Regisseur Gerhard Lamprecht (1897-1974) zusammen, von dem sie noch im hohen Alter schwärmte: «Lamprechtwar ein wunderbarer Mensch und Regisseur.» Die Filme liegen jetzt inArchiven. Die alte Dame wollte darum «kein Tam-Tam» machen, aber alteSchwarz-Weiß-Fotos bewahrte sie bis zum Schluss in ihrem Schrank indem Linzer Seniorenheim auf, in dem sie ihren Lebensabend verbrachte.

«Der Tonfilm ist der Mörder vom Stummfilm», war Brausewetterüberzeugt. Zu ihren Zeiten sei es sehr auf die mimischeAusdrucksfähigkeit der Schauspieler angekommen, es fehlten erklärendeWorte. «Die Rollen waren anders.» Als der Tonfilm gekommen sei,hätten sich die anderen Schauspieler weiterentwickelt. «Man selberist stehen geblieben», sagte der frühere Stummfilmstar. Nur einmal,1950, ließ sich Brausewetter kurz auf das Wagnis Tonfilm ein undspielte in «Die Treppe» unter der Regie von Alfred Braun eineNebenrolle.

Über ihren Bruder hatte Brausewetter Kontakte zu vielenSchauspielern und Intellektuellen, darunter zu Schriftstellern wieKlaus Mann und Joachim Ringelnatz. «Wenn Hans abends mit den Leutenaß, war ich dabei», erzählte sie. Dann starb Hans Brausewetter (1899-1945) als Zivilist in den Kämpfen um Berlin. Sein Tod sei «der großeSchlag» gewesen in ihrem Leben, erinnerte sich die Schwester. EinJahr zuvor hatte sie sich von ihrem Mann, einem Chemiker, scheidenlassen und danach allein mit drei Kindern gelebt.

Bereits 1928 hatte sie sich ins Privatleben zurückgezogen. 1972zog Brausewetter nach einer schweren Krankheit in die Nähe ihrerTochter und ihrer zwei Söhne nach Linz und lebte bis vor zwei Jahrenin einer eigenen Wohnung. Sie hütete Babys, kümmerte sich umvietnamesische Flüchtlingskinder und betreute eine Theatergruppe fürSchüler. Gesunde Ernährung war nie ein Thema. Jahrelang rauchte sie,trank täglich einen Schnaps. Doch im hohen Alter gab sie ihre Lasterauf, naschte höchstens noch ab und zu Schokolade.

Dass sie 100 Jahre alt werden könnte, glaubte sie nie. «Ich habenicht gedacht, mal alt zu werden», sagte sie zum ihrem rundenGeburtstag im vergangenen Jahr. «Dumm und solide wird man im Alter.»Da waren ihre Augen schon so schlecht, dass sie nicht mehr lesen undfernsehen konnte. Umso mehr freute sie sich über Besuch von denKindern, die mittlerweile selbst im Rentenalter sind, den acht Enkelnund vier Urenkeln oder alten Bekannten.