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Stiftung Bauhaus Dessau Stiftung Bauhaus Dessau: Gefangene Körper im Netz des Computers

Von Andreas Hillger 01.07.2001, 14:08

Dessau/MZ. - Das auf der Basis der Software "Life Forms3.5" entwickelte Stück ist in seiner radikalenHingabe an die Chancen und Risiken einer computer-generiertenChoreografie ein Sonderfall, findet auf derhistorischen Bühne von Oskar Schlemmer aberquasi als Heimspiel statt. Denn selbst wennsich Regisseur und Raumdesigner Pablo Venturabislang nicht mit den Figur- und Raum-Experimentendes Bauhaus-Meisters beschäftigt hat, bewegter sich mit zeitgemäßen Mitteln dennoch indessen Spuren. Dass er dabei zugleich an dieGrenzen einer technoiden Kunst-Form stößt,verbindet ihn zusätzlich mit den heute nurnoch als Skizze verfügbaren Versuchen Schlemmers.

Auch bei ihm wird Figur lediglich als veränderlichesZeichen im Raum begriffen, wobei projizierteVideo-Bilder und elektronische Klangflächendie Strenge der Versuchsanordnung noch unterstreichen.Im Gitternetz der senkrechten und waagerechtenLinien oder im Kreisen von virtuellen Kugel-Konstruktionenwerden die sechs Tänzer (Sylvia Camarda, TrentGrey, Clare Holland, Arlette Kunz, GaetanoPosterino und Veronika Reithmeier) geometrischvermessen und schematisch verschoben. Fürkreative Improvisation oder individuelle Profilierunglässt dieses Korsett keinen Raum.

Damit wird zugleich der inhaltliche Bezugzu jenem "verrückten Gott" hergestellt, derim Titel als Widergänger des allmächtigenRechners Hal aus Stanley Kubricks Film "2001-A Space Odyssey" firmiert und aus dem Rauschender Lautsprecherboxen zu seinen Geschöpfenspricht. Da wird - auch bei Wort-Projektionenwie "Variationen und Mutationen" oder "RhythmSynchronisers" - durchaus ironische Skepsisgegenüber der verwendeten Technik sugerriert.Doch auch sie kann letztlich nicht verhindern,dass der heilige Ernst des Tanzes gelegentlichunfreiwillige Komik produziert.

Denn gerade weil sich die Bewegungen immerwieder an der Haut jener Körper brechen, ausdenen sie kommen und in denen sie gefangenbleiben, wirkt der Mikrochip-Manierismus zeitweiseerstaunlich anachronistisch. Hier wird einneuer Formenkanon konstruiert, der in seinenathletischen Anforderungen und seinem sichselbst genügenden Ausdruck auf eigentümlicheWeise an klassische Vorbilder erinnert - dieWiederentdeckung des Balletts auf der Festplattedes Rechners.

Wenn man einen Rechner also lediglich mitphysiologischen Eckwerten des menschlichenKörpers speist und daraus das Machbare ermittelnlässt, erhält man Form ohne Inhalt. Und damitbleibt es bei einer sterilen Studie zwischenLeistungs- und Sinuskurve, die als Recherchezu Körpern im Raum allerdings Attraktion besitzt.