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Stéphane Breitwieser Stéphane Breitwieser: Die unbeherrschbare Leidenschaft des Gemäldediebes

Von Petra Klingbeil 01.12.2006, 08:24

Straßburg/dpa. - «Ich konnte der Versuchungnicht widerstehen, die Pistole aus dem 17. Jahrhundert warwunderschön, und da habe ich blitzschnell zugegriffen», schreibt derDieb über seinen ersten Beutezug in einem kleinen Museum nahe seinerHeimatstadt. Damals war er noch nicht «Diebes-süchtig».

In seinem Buch «Geständnisse eines Kunstdiebes», das kürzlich inFrankreich erschienen ist, wirft dieser Mann Licht auf seineunbeherrschbare Leidenschaft. Gestohlen hat er auch Meisterwerke vonPieter Brueghel, Lucas Cranach, Antoine Watteau und Albrecht Dürer,ungestraft, sieben Jahre lang, bis er - eher zufällig - erwischtwurde. Vier Jahre hat Breitwieser im Gefängnis gesessen.

Breitwieser wusste genau, was er stahl. Die Kunstkenntnis hat ersich angelesen und dabei mehr Fleiß entwickelt, als für jede legaleBerufstätigkeit. Sein Sachwissen hat vor Gericht mehrmals fürHeiterkeit gesorgt, wenn er Kunstsachverständige undMuseumskonservatoren zurechtwies. Über die Herkunft der von ihmgestohlenen Figuren und Gemälden wusste er besser Bescheid, als dieProfis.

Bei seinen Streifzügen durch Sammlungen und kleine Museen inFrankreich, der Schweiz, Deutschland oder Belgien begleitete ihnseine Gefährtin und Komplizin, die seinen Kunstgeschmack teilte. InEntzücken geriet das Paar in Burgund im Juli 1996, wo sie «in einemvöllig unscheinbaren Museum» eine mittelalterliche Elfenbeinskulptur«Die mystische Hochzeit der Heiligen Katarina» stahlen. «Es war wieLiebe auf den ersten Blick, der Anblick der Figuren hat mir den Atemverschlagen», schreibt Breitwieser. Er demontiert ohne große Mühe dieVitrine und versteckt das 30 Zentimeter große Kunstwerk in derHandtasche seiner Freundin. Am Ausgang lenkt er die Aufmerksamkeitder Kassiererin ab, damit sie nicht die ausgebeulte Tasche bemerkt.Breitwieser ist freundlich, hat gute Manieren und ist gut gekleidet,er wirkt wie ein unauffälliger Museumsbesucher.

Vollkommen unbegreiflich erscheint Breitwiesers mangelndeGeschäftstüchtigkeit - er hat die Kostbarkeiten wohl kaum zur eigenenBereicherung, sondern aus Lust an der Schönheit geklaut und sie inseinem Zimmer an alle verfügbaren Wände gehängt. Und dass, obwohl erhauptsächlich von Gelegenheitsjobs lebte und meistens knapp bei Kassewar. Vielleicht hat er die Liebe zur Kunst geerbt. Stolz schreibt erüber die Gemälde seines Großonkels Robert Breitwieser(1899-1975), diein seinem Elternhaus die Wände schmückten.

Nach seiner Festnahme im November 2001 in der Schweiz machteBreitwieser nicht die schlechtesten Erfahrungen mit der Justiz. DieBeamten behandeln ihn durchweg höflich und kaum wie einengewöhnlichen Kriminellen. Auch über den Aufenthalt in schweizerGefängnissen konnte Breitwieser nicht klagen. Die Mithäftlingezeigten sich eher beeindruckt und wären liebend gern mit ihm insGeschäft gekommen.

Um ihrem einzigen Sohn zu helfen hat seine Mutter den «Krempel»kurzerhand in den Rhein geworfen. 2002 hatte die Polizei über hundertKunstwerke aus dem Wasser gezogen, silberne Kelche und Porzellan,doch die Gemälde blieben verschwunden. Mutter Breitwieser erklärte,sie habe Leinwände zerschnitten und Gemälde auf Holzgrund zerstört,um Spuren zu verwischen. Bis heute ist es immer noch unklar, ob dieMeisterwerke wirklich zerstört, versteckt oder doch illegal verkauftwurden.

Das Buch gibt es nur auf Französisch.

Stéphane Breitwieser: Confessions d'un voleur d'art
Éditions Anne Carrière, Paris
361 Seiten, Euro 18,50
ISBN 2-84337-410-3