Stadtmuseum Halle Stadtmuseum Halle: "Ah dieser Geruch nach Rauch!"

halle/MZ - Am Anfang waren Sole und Saale. Das Wasser, aus dem das Salz zu holen war, und der Fluss, aus dem die Menschen das Wasser schöpften, die sich bald in Hallenser, Halloren und Halunken sortieren sollten. Also in gebürtige Bürger der Stadt Halle, in Mitglieder ihrer berühmten, die Sole verarbeitenden Salzwirkerschaft und in Halunken, alle Zugezogenen.
Die Sole ist von diesem Sonntag an in der neuen stadtgeschichtlichen Dauerausstellung im halleschen Stadtmuseum zu sehen, gewonnen aus einer Bohrung am Holzplatz, ausgestellt in einem Fläschchen. Der Fluss grüßt von einem Gemälde aus dem Jahr 1883, das die „Cröllwitzer Papiermühle“ zeigt. Unter Glas am Boden liegt eine Eisenkette, mit der von 1884 an Kettenschleppschiffe über die Saale gezogen wurden. Bis zum Jahr 1921. Dann war Schluss mit der Schlepperei.
Was der Hallenser wissen muss
Eine von Hunderten sinnfällig gemachten Auskünften, über die im ausgedienten Druckhaus des Traditionsverlages Gebauer und Schwetschke nun auch Nicht-Hallenser staunen können, die vielleicht als Hallodris zu bezeichnen wären. Der Halle-Patriot wird sich ein dickes Kreuz im Kalender machen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen es die Kulturhauptstadt Halle hinnahm, ohne eine Dauerausstellung in eigener Sache leben zu können. Nachdem im November die Dauerausstellung zu Halle im 18. Jahrhundert im Christian-Wolff-Haus eröffnet worden war, kann im benachbarten Druckhaus der erste Teil der Stadtgeschichtsschau besichtigt werden - unter dem Motto: „Entdecke Halle!“.
Zweieinhalb Jahre arbeitete die Kuratorin Susanne Feldmann mit ihrem Team an dieser 500 000 Euro teuren Ausstellung, die auf rund 450 Quadratmetern mehr als 1 000 Jahre Halle - auch buchstäblich - begreifbar macht. Von den Schaustücken aus die Stadtgeschichte zu erzählen und nicht etwa mit diesen die zweibändige Stadtgeschichte von 2006 zu illustrieren: Darum sei es gegangen, sagte Susanne Feldmann gestern.
Und genau das ist gelungen: unaufdringlich, überraschend, auch im Beiläufigen relevant. Und mit Hingabe ans Detail. Hallodris und Hallenser werden gut unterhalten in dieser Ausstellungshalle mit Warenhaus-, ja Baumarktcharakter. Denn das Konzept des erzählenden Objektes wird bis an seine Grenzen ausgedehnt. Das Geschichtswarenhaus ist randvoll, eine Messe der Meister von gestern.
Eröffnet wird die Schau durch ein Magenta-rotes Entrée, das unter anderem das von Rolf Hünicken verfasste und bei Gebauer und Schwetschke 1936 gedruckte Büchlein präsentiert: „Was muß der Hallenser von der Geschichte Halles wissen“. Nicht den Hünicken, sondern ein Begleitheft bekommt der Gast in die Hand. Ein Heft, in dem die gezeigten Objekte kommentiert werden und in dem Sammelbilder einzukleben sind, die es zu einigen Schaustücken gibt.
Zu den Bier- und Wasserflaschen etwa, die am Eingang gezeigt werden, geborgen aus dem Bauschutt des um 1914 errichteten Druckhauses. Man belässt es nicht bei einem hübschen Einfällchen, sondern macht einen echten Einfall daraus. Stellt Fragen wie: Was erzählen die Flaschen über Halle? Dass es 1914 noch zehn Bier-Großhändler und Flaschenhersteller gab. Wie lässt sich das Alter der Flaschen bestimmen? Was geschah in Halle zu dieser Zeit? Zu alledem liest und sieht man einiges. Man darf sich den halleschen als einen gebildeten Trinker vorstellen.
Das alles lässt sich museumsdidaktisch kaum verfeinern und sorgt von Anfang an für einen unprätentiösen Ton - und eine auch spielerische Gangart. Drei Themenfelder werden vorgestellt: die Siedlung, Erzeugnisse aus Halle und die Stadt und die Welt. Das ist gut soziologisch gedacht und eine brauchbare Basis für Kommendes.
Unter geteiltem Himmel
Die von dem complizen Planungsbüro und dem Büro für Gestaltung molekyl eingerichtete Schau ordnet sich um das Modell der Stadt um 1600. Grau unterlegt bei der Siedlung, blau in Sachen Welt, mit Sperrholz bei den Produkten. Das Sperrholz ist die einzige fragwürdige Entscheidung; Es sieht nicht gewollt „unfertig“ (wie die Stadt, angeblich) aus, sondern billig.
Aber dieses Haus der 1 000 Dinge! Wunderbar die bestens beschrifteten Spatenstich-Spaten der vormaligen SPD-Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados. Schnittig ein US-Offiziersmantel der Timber-Wölfe von um 1940. Wie anders dagegen Trenchcoat und Lederjacke der halleschen „Polizeiruf“-Bohemiens Schwarz und Winkler. Verblüffend ein rostiger Nebeleimer aus den 80er Jahren, der als Brennelement Straßenkreuzungen zu erhellen hatte. Christa Wolfs Halle-Buch „Der geteilte Himmel“ von 1963 ist ein kleines Kabinett gewidmet, das auch Ausschnitte des gleichnamigen Defa-Films bietet. An anderen Stellen findet man Zitate aus dem Roman wie: „ah, dieser Geruch nach Herbst und Rauch!“, der sich einst über die Stadt legte. Überraschend die Kasper-Puppen und -Bücher von Böcklin und Bonus, die 1910 in Halle vertrieben worden sind. Kasper-theoretisch wohl bahnbrechend: Dem komischen Helden wurde erstmals die bisherige Ehefrau gestrichen. Stattdessen wurde er der Großmutter zugeordnet und somit „entsexualisiert“, wobei es blieb bis heute - für alle Kasper.
Ausgestattet mit Hör- und Tastangeboten, ist die Schau auch für Blinde erfahrbar. Die Sammelbilder sorgen für Vergnügen in der Halle. Die Verweise auf andere Museen vielleicht für mehr touristischen Betrieb in der Stadt. Frühestens von 2017 an ist mit dem zweiten Teil der Schau zu rechnen, die sich dem gesellschaftlichen und politischen Leben widmen will und den „Bildern von Halle“. Den buchstäblichen und denen im Herzen, sagte die Kuratorin, die seit gestern im Museum fest angestellt ist.
Eröffnung auf Einladung im Stadthaus: 11. Mai, 17 Uhr. Am 12. Mai Tag der Offenen Tür: 11-17 Uhr, Große Märkerstraße 10. Dann: Di-So 10-17 Uhr.