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Sprache Sprache: Thüringisches Wörterbuch ist nach 98 Jahren fertig

Von Sophia-Caroline Kosel 12.02.2006, 14:30
Detail aus einem Band des Thüringer Wörterbuches, aufgenommen am 06.02.2006 in der Arbeitsstelle Thüringisches Wörterbuch der Friedrich-Schiller-Universität Jena. (Foto: dpa)
Detail aus einem Band des Thüringer Wörterbuches, aufgenommen am 06.02.2006 in der Arbeitsstelle Thüringisches Wörterbuch der Friedrich-Schiller-Universität Jena. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Jena/dpa. - Jetzt ist das ehrgeizige Projekt beendet.Vier Generationen von Forschern haben knapp 100 000 Wörterzusammengetragen. Zehn Lexikographen schrieben die Erkenntnisse fürdie Nachwelt nieder.

   Das eigentliche Thüringisch werde nur im Kernland um Gotha, Erfurtund Weimar sowie bis knapp hinter Jena gesprochen, berichtet SusanneWiegand, Leiterin der Arbeitsstelle Thüringisches Wörterbuch.Charakteristisch seien dort sprachliche Eigenheiten wie «Voater» fürVater oder «guet» für gut. Kinder werden zu «Kinger», herunter zu«runger» und sagt zu «sööt». Hippe für Ziege und Kindfrau für Hebammehielten sich im Wortschatz. Nicht selten fällt ein «n» weg: zumBeispiel in «ich muss lache» oder «ich will gehe».

   Kleinräumige Dialektgebiete in Thüringen befinden sich imSüdwesten, im Gebiet um Vacha (Wartburgkreis), wo in einigen Ortenhessischer Dialekt gesprochen wird, sagt Wiegand. Ganz im Nordenwerde Thüringen zudem von der so genannten Ik-Ich-Linie gestreift. Sowerde nördlich von Worbis im Eichsfeld ein niederdeutscher Dialektmit ik statt ich gesprochen. Der Eichsfelder falle zudem dadurch auf,dass er «nit» statt nicht sage. «Daher haben die Eichsfelder auchihren Necknamen "Eichsfelder Nitten".»

   Hunderte Karteikästen künden in mehreren Räumen an derFriedrich-Schiller-Universität Jena von der Wörter-Sammelei. Begonnenhatten damit die Lehrer der Region. «Sie haben sich mitMundartsprechern zusammengesetzt und die Wörter auf Fragebögenübertragen», sagt Wiegand. «Besonders häufig wurden Bauern befragt,sie haben noch Dialekt gesprochen.» Auch Heimatzeitungen, Urkundenund Rechnungen durchsuchten die Forscher nach regional typischenWörtern.

   Nach jahrzehntelanger Sammelarbeit der über 500 ehrenamtlichenHelfer erschien 1966 der erste Band. Begonnen wurde mit dem L, weildiese Wörter die wenigsten Vorsilben haben. Derzeit noch im Druck istder Teil von «herablappen» (jemanden herunterputzen) bis «kutzeln»(kitzeln). Weil das Land Thüringen im vergangenen Jahr dieDruckkosten dafür ursprünglich nicht zahlen wollte, wäre dieser Teilbeinahe unveröffentlicht geblieben. «Dann haben wir aber doch noch25 000 Euro bekommen», sagt Wiegand.

   Das Wörterbuch ist ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Jenaund der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.Herausgegeben wird es vom Akademieverlag Berlin. Die Bände Vier bisSechs sind allerdings nicht mehr zu haben. «Kurz nach der Wende wurdeder Verlag von Privatleuten gekauft, sie haben alles aus dem Lagervernichtet», sagt die Jenaer Germanistin. Die bis dahinherausgegebenen Bände des Wörterbuchs seien auf einer ThüringerMülldeponie gelandet.

   Obwohl das Lexikon nun offiziell fertig ist, wird sich Wiegandweiter den Dialekten widmen. «Ich trage nun Sprichwörter derthüringischen Volkskultur zusammen», sagt sie. «Es gibt noch soVieles, was zu bearbeiten wäre.» Zum Beispiel verbirgt sich in denKarteikästen an der Uni auch eine Sammlung mit Thüringer Flurnamen.