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Sprache Sprache: «Spaghetti» oder «Spagetti»?

Von Esteban Engel 31.07.2008, 12:41
Änderungen für die Groß- und Kleinschreibung im Zuge der umstrittenenRechtschreibreform (Foto: dpa)
Änderungen für die Groß- und Kleinschreibung im Zuge der umstrittenenRechtschreibreform (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Dabeiwar am 1. August 2007 ein abgespecktes Regelwerk verbindlich in Kraftgetreten. Ursprünglich hatten die mit dem Vorhaben betrauten Expertenviel stärker in die Schreibweise der deutschen Sprache eingreifenwollen.

Ob «kennenlernen» oder «kennen lernen», Schiffahrt, Schifffahrtoder Schiff-Fahrt, überschwenglich oder überschwänglich - wer imAlltag viel schreibt, muss noch heute häufig zum Wörterbuch greifen.Nach einer Untersuchung der Forschungsgruppe Deutsche Sprache, dereinige Reformgegner angehören, haben die neuen Regeln das korrekteSchreiben an Schulen nicht erleichtert - im Gegenteil. DieFehlerquote sei etwa in freien Aufsätzen von Viertklässlern um 80Prozent, bei Diktaten in der gymnasialen Oberstufe gar um 110 Prozentgestiegen. Vor allem die Verwendung von Doppel-S und Eszett löse beivielen Schülern noch Kopfzerbrechen aus.

Die Gegner blicken hoffnungsvoll in die Schweiz, wo dieOrthographische (oder Orthografische) Konferenz eine Reform derReform anstrebt. «Der Weg, den sie einschlägt, wird insbesondere denSchulen helfen, mehr Sicherheit im aktuellen Durcheinander zugewinnen», sagt etwa Schulbuchverleger Michael Klett.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) sieht dagegen keinen «akuten»Handlungsbedarf. «Die Unzufriedenheit hält sich so in Grenzen, dasssie kaum bemerkbar ist», sagt KMK-Generalsekretär Erich Thies. DieReform habe sich bewährt. Der Vorsitzende des Rechtschreibrates, derfrühere bayerische Kultusminister Hans Zehetmair, schließt allerdingskleine Änderungen nicht aus. Man wird sich nun mit denWörterbuchverlagen unterhalten, ob nicht etwa «Spaghetti» ohne «h»geschrieben werden kann, sagte der CSU-Politiker dem «MünchnerMerkur».

Die wohl größte Reform im Schriftdeutsch hatte in derBundesrepublik, Österreich und der Schweiz Verwirrung und Ablehnungausgelöst. Bereits am 1. Juli 1966 hatten sich Fachleute aus den dreiLändern, sowie aus Liechtenstein und den Staaten mitdeutschsprachigen Minderheiten grundsätzlich auf das Projektgeeinigt. Kurz danach erhoben sich die ersten Stimmen des Protestsgegen die Kommission.

Vor allem Schriftsteller aber auch Institutionen wie die DeutscheAkademie für Sprache und Dichtung kritisierten die ihrer Ansicht nachwillkürlichen Änderungen. «Mein erstes Prosamanuskript zur"Blechtrommel" ist voller Rechtschreibfehler. Ich habe die deutscheRechtschreibung im Laufe meines langen Schreibprozesses gelernt undbin deshalb auch so wütend, dass sie wieder geändert wird», sagteetwa Literaturnobelpreisträger Günter Grass.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Reform dennoch fürrechtmäßig, in Umfragen lehnte eine Mehrheit der Deutschen die neuenRegeln ab. Am 1. August 2005 wurden die weitgehend unstrittigen Teilean Schulen und Behörden verbindlich eingeführt.

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Widerstandes beschloss der vonden Kultusministern eingesetzte Rat für deutsche Rechtschreibung imFebruar 2006 Änderungsvorschläge bei der Getrennt- undZusammenschreibung, der Silbentrennung sowie der Zeichensetzung. Sodurften fortan Wortverbindungen wie «allein erziehend» oder «sogenannt» auch zusammen-, das «Du» in Briefen wieder großgeschriebenwerden.

Einige Medien, allen voran die «Frankfurter Allgemeine Zeitung»,das Magazin «Der Spiegel» und das Medienhaus Axel Springer («Bild»,«Die Welt») gaben ihren Widerstand auf und schwenkten auf dieveränderte Rechtschreibung um. Auch die Nachrichtenagenturen einigtensich auf das neue Regelwerk, damit sie nicht nur korrekt, sondernauch in einheitlicher Schreibweise ihre Meldungen verbreiten.

Im Rückblick räumt KMK-Generalsekretär Thies Fehler bei deröffentlichen Vermittlung des Projekts ein. So habe dieReformkommission zu lange für sich gearbeitet, die Politik sich zuspät eingeschaltet. Die Proteste sieht Thies gelassen. «Keine Themenerhitzten die Gemüter so wie die Rechtschreibreform und dieTerminregelung für die Sommerferien - das ist unlösbar».