Sopranistin Sopranistin: Biografien gehen dem «Phänomen Anna Netrebko» nach

Hamburg/dpa. - Der eine als Journalist und die andere als Musikwissenschaftlerinversuchen dem in vielen Schlagzeilen betitelten «Phänomen Netrebko»und dem Aufstieg vom Aschenputtel zum sexy Superstar auf die Spur zukommen. Beide thematisieren dabei weniger den feuilletonistischenFreudentanz, den die 34-Jährige bei ihren gefeierten Auftritten inden Opernhäusern der Welt und jüngst bei DVD-Aufnahmen in Popclip-Manier bei einer Vielzahl von Kritikern hinterließ.
Im Mittelpunkt steht vielmehr das Leben zwischen Glamourgirl undDiva. «Focus»-Musikredakteur Dolak tastet sich mit menschelndenFragen an die «Invasion der schönen Russinnen», den «Himmel vollerGagen» die «Strategie Superdiva» heran, wie einige der insgesamt achtKapitel lauten. Seine Intention ist es, hinter die Frau imScheinwerferspot zu blicken - zwischen künstlerischer Integrität undKommerz. «Von zu vielen Reisen, damit einhergehender Vereinsamung undSinnentlehrung kann auch die Überfliegerin des Operngewerbes ihreArien singen», heißt es unter der Überschrift «Sex, Drogen &Bausparvertrag». Die Folgen bekämpfe sie mit Shopping und wildenPartys, Escada und Eskapaden.
Die Musikwissenschaftlerin Reissinger hingegen, die bereits eineBiografie über August Everding veröffentlichte und «Verdi für Eilige»schrieb, zeichnet detaillierter den bisherigen Erfolgsweg Netrebkosnach, lässt prominente Zeitgenossen wie Zubin Mehta und Förderer zuWort kommen und wertet Interviews mit russischen Journalisten aus,die einen ganz eigenen Blick auf die von ihnen liebevoll «Anetschka»genannte haben. Obwohl der Musik interessierte Leser meistAltbekanntes - allerdings in flotter Schreibe - erfährt, lesen sichdie rund 200 Seiten flüssig. Aufschlussreich ist das Kapitel über«Die Netrebko-Karawane. Marketing für eine Stimme», das den täglichenSpagat zwischen der zur Ikone stilisierten Diva und der «scheu,verschlossenen, auch wortkarg und fast rastlos» wirkenden Frauabbildet und die «Marketing-Marionette» zu entlarven versucht.
So unterschiedlich die beiden Herangehensweisen der Netrebko-Biografen sind, zum Schluss sind sie sich einig und schließen fastharmonisch mit einem nahezu gleichen Zitat der Netrebko, die es immernoch nicht so richtig fassen könne, ein Star zu sein. Und eigentlichhabe sie auch gar nichts zu erzählen.
Gregor Dolak: Anna Netrebko. Opernstar der neuen GenerationHeyne Verlag, München256 S., Euro 19,90ISBN 3-453-12016-7
Marianne Reissinger: Anna Netrebko - Ein PorträtRowohlt Verlag, Reinbek205 S., Euro 19,90ISBN 3-498-05776-6